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Mittelalter die außerzünftige Produktion zum Wettbewerb um die örtliche Nachfrage zugelassen war. Ihre Wirkung wurde nunmehr vervollständigt durch die Aufhebung der sogenannten Freimärkte, auf denen bisher den lokalen Organisationen der Ausschluß fremden Angebots gelungen war. Die Schaffung einer Dauerkonkurrenz für die Innungen durch staatliche Einzelkonzessionen von Freimeistern erreichte eben damals, als das junge preußische Heerwesen um die Fürsorge für seine Veteranen und Invaliden verlegen wurde, ihre Höhe. Diese ganze Gewerbepolitik konnte nicht wohl anders, als im Nächsten auch einige sozial beruhigende Erfolge haben. Aber der ginge fehl, der ihr solche als vorzügliche Zweckabsichten unterlegen wollte. Man erinnere sich, wie rein Friedrich Wilhelm I. alle jene Maßregeln in seinen Staat übernahm, mit denen das Reichsgewerbegesetz von s73s in einer großen scharfmacherischen Anstrengung die gewerblich« Arbeiterschaft genossenschaftlich entrechtete: Die Vernichtung der Hauptladen und der Gesellenstatuten, die polizeiliche Reglung des Arbeitsverhältnisses als eines individuellen Vorgangs durch die neue zentrale Kontrolle der Geburts- und Lehrbriefe und der Ziehscheine („Kundschaften"). Der Wirtschaftsfaktor vielmehr, dem die ganze merkantilistische Gewerbereform zuletzt, aber auch großenteils sehr bewußt und absichtlich zugute kam, war wiederum jenes Organ des Kapitalismus, die industrielle Großunternehmung. Um das zu sehen, braucht man nicht erst einzelne Festsetzungen der Generalzunftprivilegien zu lesen wie die, welche die Militärverwaltung aus größere Einzellieferanten anweisen und dabei nur eine billige Produktionsteilung mit den Aunftgenossen voraussetzen, oder die, die nur den größeren Tuchmachern mit über ein Dutzend Stück Erzeugung die Jahrmärkte öffnen, ihnen zu gleicher Zeit den Fertigankauf von Mitmeistern gestattend?) Schon die Tatsache genügt, daß dem innungsmäßigen Gewerbebetrieb durch die Reform zu einem neuen Leben nicht mehr verholfen wurde. Nach der Statistik des Kameralisten G. F. von Lamprecht waren Ende des s8. Jahrhunderts in der Mark die der Zunftverfassung angemessensten Gewerbe zwar mit einer ganz stattlichen Anzahl von Innungen vertreten: Die Schneider zählten 82, die Leineweber 80, die Schuhmacher 78, die Tischler 77, die Hufschmiede 75, die Böttcher 65 und die Rademacher 62. Diese Ziffern sind insofern bemerkenswert, als sie gerade die Industrien betreffen, denen ein etwaiger Wettbewerb des Landhandwerks am ehesten schädlich hätte werden können. Sie stimmen zu der auch sons?) wohlbegründeten Auffassung, daß die anderwärts nationalökonomisch sehr bedeutsame gewerbliche Produktion des platten Landes in Brandenburg das Maß ernsthafter Nebenbuhlerschaft für die städtischen Zunftgewerbe nie erlangt hat. Wenn dennoch die Lamprechtschen Ermittlungen über die Meisterzahlen der einzelnen Innungen eine erschreckende Auszehrung ihres Gesamtbetriebes bloßlegen, wenn kurz vor der Gewerbereform nur sechs 30—60, ein Dutzend sO—30 und alle übrigen weniger als >0 Mitglieder hatten, so muß ihr Ende als das Ergebnis weit allgemeinerer Bewegungen in der Wirtschaftsgeschichte erkannt werden.
9 G. Schmoller, Oas brandenburgisch-preußische Innungswesen zs-to—zsoo in seinen Umrissen und Untersuchungen, S. H22s.
9 I. B. von D. ksintze neuerdings auch statistisch in den Forschungen zur Branden- burgischen und preußischen Geschichte XXH, syzsf.