Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1910) Die Geschichte / von Gustav Albrecht ...
Entstehung
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II. Die Unternehmung.

Die gewerbliche Unternehmung in der technischen Wortbedeutung, wie sie zu­nächst weniger als massenhafter denn als individueller Betrieb bestimmt wird, ent­stand in der mittelalterlichen Gesellschaft vornehmlich an den äußersten Enden, der Spitze und der Grundfläche, der industriellen Gesamtproduktion. Die Zunftverfas­sung konnte nicht hinaufreichen bis in die feinen Verästelungen der Luxusgewerbe, die ja anfangs nur für ganz beschränkte, wo nicht ebenfalls individuelle Kundschaft ar­beiteten. Als Unternehmer auch im Sinne allgemeiner Anregung und Neuerung müssen die einzelnen süddeutschen Luxushandwerksmeister angesprochen werden, die von den Renaissancekurfürsten aus dem südlicheren Deutschland nach Berlin gezogen wurden, der Regensburger Pergamentmacher Joachims II-, der Nürnberger Ulessing­schläger Johann Georgs, ein Messerschmied aus Leipzig um dieselbe Zeit. Ebenso haben in der Textilindustrie die Keime der späteren eleganten Stoffgewerbe, die Kunst­färbereien, Stickereien und Wirkereien, damals oder wenig später als Singulärbetriebe ihren Ursprung genommen. Aber auch wo in der Berührungsebene von Gewerbe und Urproduktion die Ausbeutung der Bodenschätze eigene Veranstaltungen hervor­rief, hielten die ländlichen Grundherrschaftsverhältnisse und wohl auch die Schwie­rigkeiten der Kapitalbeschaffung den genossenschaftlichen Gewerbebetrieb fern. Es ist von äußerster Merkwürdigkeit, zu übersehen, wie in der Geschichte aller bergbaulich begründeten Industrien anfangs, zur Zeit der Zunftherrschaft, die Unternehmung tatsächlich unter der Gewalt der grundherrlichen Bodeneigentümer bleibt, und auch hernach, in der Periode beginnender Gewerbefreiheit, das nichtagrarische, hauptsächlich kaufmännische Kapital sich nur langsam und in hartnäckigem Ringen mit agrarischen Interessen einen Weg bricht. Die, bei der Zweifelhaftigkeit der Kunde von dem Dros- kauer Eisenhammer, älteste Nachricht vom Hüttenwesen in der Mark, die Notiz des Karolinischen Landbuchs über das mallsum tadricans per wotnm ucxue zu Neu­mühl bei Bötzow bringt dies Werk in Verbindung mit der dortigen agrarischen Schloßverwaltung. Der Waldowsche Hammer auf Schöpfurt bei Biesenthal im s5. Jahrhundert beruhte ganz auf einer umfangreichen kurfürstlichen Landverleihung zur Gewinnung der Eisenerde und des Brennholzes, aber auch zu agrarischen Wirt­schaftszwecken?) Die beiden hervorragendsten Metallhütten des f6. Jahrhunderts, die peitzer für Eisen und die Finower für Kupfer, waren, ebenso wie der Messing­hammer von heegermühle im 17., Bestandteile des kurfürstlichen Domänenstaats. Neustadt a. D. mit Hohenofen, auf dessen Schmelzhütte die berühmte Spiegelmanu­faktur doch erst fußte, wurde durch die Grundherrschaft des Landgrafen von Hessen- Homburg, Freienwalde für Eisen- und Alaunerzeugung durch die Derfflingers industrialisiert.

Das erste reine kaufmännische Kapital ist durch Ausländer in die märkische Industrie gekommen. Es wandte sich naturgemäß den Produktionen zuerst zu, die ohnehin an den Handelsverkehr, an weite Verbindungen mit fremden Rohstoffmärkten geknüpft waren. Als erste Großgewerbeunternehmungen dieser Art begründeten

9 G. lv. von Raumer, Lociex viplomatious Lrsnöeadurßeasis I, 125.