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auf, die ihr durch den christlichen Kult übermittelt werden; aber sie bleibt ihrer alten Linienführung treu. Die Grabkreuze unserer Dorfkirchhöfe geben davon gute Beispiele (Abb. 8). Von stilistischer Befangenheit ist nur da etwas zu spüren, wo der Dorfhandwerker sich hat von dem Zeitgeschmack leiten lassen: bei Altären, Gestühl und anderen kirchlichen Ausstattungsgegenständen, die zudem auch fertig aus irgendeiner Stadt bezogen worden, also streng nicht mehr der Hauskunst zuzurechnen sind, die aber doch im Sinne
Abb. 6. Eberswalde.
Nach Aufnahme von Hofphotograph F. Albert Schwartz. Berlin NW. 87.
bäuerlichen Geschmacks hergestellt worden sind, hier kann man von der Gotik an alle Stilformen verfolgen — bis zum Rokoko, das indessen die Entwicklung abschließt (Abb. 9). Spätere Formen sind industrieller Herkunft. Dagegen hat die Gotik sich auf dem Dorfe an den Kirchen längere Zeit erhalten als in der Stadt, wobei wieder die Beobachtung zu machen ist, daß sie bei einer veränderten Geschmacksrichtung zunächst in der Kleinkunst unterliegt, während die Baukunst sich noch bis in den Anfang des f8. Jahrhunderts behauptet. Das hatte seinen Grund darin, daß ihr der Backsteinbau eine recht günstige
Abb. 7. Eberswalde.
Nach Aufnahme von Hofphotograph F. Albert Schwartz. Berlin NW. 87
Anwendung bot, die für die ländliche Technik nicht ohne weiteres verlassen wurde. Während das Rokoko in der Stadt bereits Boden gewinnt, hängt das Dorf noch immer in dem Zwange der gotischen Überlieferung. Gestützt wurde diese Neigung wohl auch dadurch, daß die alten gotischen Kirchen und Kapellen oft die einzigen Baureste waren, die den Brandverheerungen des Dreißigjährigen Krieges ohne nennenswerte Einbuße entgangen waren, während die Innenausstattung ihnen zum Opfer fiel und immer wieder von neuem beschafft werden mußte. Es ist darum keine Willkür oder gar bewußte Planung, wenn sich in unseren märkischen Dorfkirchen gotische, renaissancene, barocke oder andere Stilelemente einheitlich zusammenfinden: es beweist vielmehr dieses naive
