Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
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wucherns auf alter Grundlage als in dem einer geschichtlichen Einengung, deren Schicksal immer Verkümmerung ist; denn was jener eine große Frische sichert, sind die Landarbeit und ihre Beschränkung auf wenige Werkzeuge, zu der noch eine starke Naivetät des Gestaltens kommt. Seit sich mit dem Auskommen der Städte eine breitere Kultur von der bäuerlichen Grundlage absonderte, was seinen Höhepunkt im 16. Jahrhundert fand, schob sich in den Kreis der älteren wirtschaftlichen Verhältnisse eine neue Ordnung ein, die der bodenständigen Ackerwirtschaft ein zum Teil gleichfalls am Boden haftendes Gewerbeleben an die Seite stellte. Gleichwohl lagerte sich diese Stadtkultur nur wie ein kleinerer konzentrischer Ring innerhalb der größeren bäuerlichen ein, mit der sie nach außen, soweit wenigstens die landwirtschaftliche Betätigung der Städte in Frage kommt, sehr innige Beziehungen hatte, während sie auf der anderen Seite starke Einflüsse von außen besonders durch den Handel erhielt. Das äußerte sich zunächst noch gar nicht schroff, weil der Beginn beider Richtungen von den gleichen Anschauungen ausging, die auch die ländliche Kunst durchdrangen, und weil das Einströmen fremder Einflüsse äußerst langsam vor sich ging; aber die neuen wirtschaftlichen Betriebsformen leiteten mit der Aeit doch eine Scheidung zwischen beiden Kunstanschauungen ein. Ist schon der neue Grundsatz, Kunst gegen Entschädigung auszuüben, d. h. neben der Deckung eigener Be­dürfnisse bei der Gestaltung eines Gegenstandes auch die Wünsche Fernstehender zu berücksichtigen, von großem Einflüsse auf die Gestaltung, so ist dieser Abstand von der alten Grundlage erheblich größer geworden, seit der städtische Berufshandwerker begann, auf Vorrat zu arbeiten und damit einen Verkauf über Land einzurichten, der nun nicht mehr mit einem bestimmten Besteller rechnete, sondern auf die Geschmacksneigung einzelner Käuferkreise spekulierte, der also zum Teil unpersönliche Stimmungen in Be­tracht zu ziehen hatte. Ja, schließlich wurde sogar die Mitarbeit der Hand, die noch stets eine individuelle Kunst sicherstellte, zum Teil ausgeschaltet, weil derselbe Gegenstand oft in großer Anzahl hergestellt wurde. Das äußerte sich besonders bei der Anfertigung der Textilien, aber auch solcher Gegenstände, die für den täglichen Gebrauch nötig waren. Sie mußten in dem Grade wohlfeiler hergestellt werden, in dem der Gebrauch stieg, was zur oftmaligen Wiederholung des Musters führte. Eine der nachhaltigsten Wirkungen dieser Wandlung war, daß das Verhältnis zwischen Besitzer und Kunstwerk lockerer, daß dadurch aber auch der Kunstgenuß abhängig wurde von dem Besitz. Der Formenschatz der Kunst wurde dabei fraglos reicher, aber er verlor an seelischer Tiefe. Ost trat ein Wechsel des Geschmacks ein; ja er wurde geradezu herbeigesehnt als ein Weg, dem Kunstausübenden neue Aufträge zu sichern, während Gegenstände eines älteren Ge­schmacks in die unteren Kreise gelangten oder auf das Land abgeschoben wurden.

Wenn wir alle vorchristliche Kunst außer acht lassen, so zeigen sich also schon in der ältesten Kolonisationszeit verschiedene Wurzeln. Das Schwergewicht fiel bald den Städten zu, die sowohl aus sich heraus, d. h. aus den gewerblichen Betrieben auf die pflege künstlerischer Interessen gewiesen wurden, als auch durch den ausgedehnten Handel, der sich nach Italien, Flamland, England, den nordischen Reichen und in schwer nachzuweisenden Linien über die östlichen Slawenländer erstreckte, stets neue Anregungen erhielten. Auch die Geldaristokratie in Berlin, Tölln, Brandenburg a. d. H., Frankfurt, Prenzlau, Perleberg, Guben u. a. beteiligte sich stark an dieser künstlerischen Pflege,

Brandenborgtsche Länderkunde. Bd. IV.

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