Nicht wenige der kleinen Kapellen und Siechenhäuser sind von den städtischen Patriziern begonnen worden, die in der gotischen Zeit in gleicher Schaffensfreude fortgeführt wurden ; denn die Streitigkeiten zwischen den Geschlechtern und den Gewerken, die nachmals so oft die Entwicklung hemmen sollten, waren noch nicht politisch zum Durchbruch gekommen. Noch diente der wachsende Reichtum mehr Humanitären als ständischen Bestrebungen, was sich in der Vorliebe für eine künstlerische Gestaltung der Stadt äußerte. Selbst der Überfluß stellte sich ein, wenn nicht anders das Gebot des Rates von Berlin aus dem 14. Jahrhundert zu deuten ist, nach dem keine Jungfrau bei festlichen Gelegenheiten sollte mehr Geschmeide, Spangen und Perlen tragen, als eine Mark Silbers an
Die Bedingungen waren also günstig genug, daß sich aus dem Zusammenwirken von bäuerlichem Hausfleiß, geistlicher und höfischer Teilnahme und des bürgerlichen Handwerks schon im 13. Jahrhundert ein märkischer Provinzialstil entwickeln konnte. Das Schicksal hatte es anders bestimmt. Was sich in der anhaltischen Zeit in Brandenburg zu einer alle Volkskreise umfassenden künstlerischen Kultur zusammenfand, ist bald wieder von der Strömung erfaßt worden, die sich ganz einseitig an die Handelsbeziehungen der Städte heftete und durch die aufstrebende Gotik nach einer anderen Seite trieb. Zunächst war der bäuerliche Hausfleiß auf das Dorf beschränkt, und die einigende Kraft der kirchlichen Kunstpflege der nach dem Auslande zielenden städtischen Gewerbepolitik unterworfen worden. Nur bei den großen kirchlichen Monumentalbauten erhielten sich die Überlieferungen des häuslichen und gewerblichen Ursprungs noch längere Zeit, weil die Technik und die Konstruktion zu eng mit dem Material verknüpft waren, um die Gestaltungsgrundsätze unvermittelt in ein neues Bett zu leiten. Besonders zeigte es sich bei dem Eindringen der Gotik, daß die konstruktiven Grundsätze dieses Stiles sich erst mit dem gefügigen Backstein durchsetzen konnten, während der spröde Granit sich ihrem Einflüsse lange Zeit entzog und besonders der charakteristische Spitzbogen nur langsam und fast widerwillig im Kampfe mit dem Rundbogen eindrang (Abb. 31).
Erst mit der Herrschaft der Hohenzollern vollzog sich der endgültige Umschwung zugunsten der Gotik; aber auch er erfolgte nicht mit einem Male, sondern in einer langsamen Entwicklung, die reich war an wechselnden Bildern und Staffeln. Nicht wenig
Gewicht ausmachte.
Abb. 31. Frühgotisches Kirchhofsportal in Potzlow (Uckermark).
Nach Aufnahme von Hofphotograph F. Alb. Schwartz. Berlin NW. 87.