Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
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erst im 15. Jahrhundert erhielt, dessen Ostgiebel indessen im wesentlichen noch alt ist. Der einschiffige Raum, mit bildnerisch geschmückten Konsolen ausgestattet, hat nicht die große feierliche Wirkung der Klosterkirche; er ist freundlicher durch die großen Fenster­öffnungen, gemütlicher und anheimelnder, mit einem Wort bürgerlicher, was für die Elenden und Armen, die hier Erholung, Lebensfrieden, und Erbauung finden sollten, wohl auch geeigneter war. Freilich wird man nicht übersehen dürfen, daß diese heutige Raumwirkung einstmals unter dem Einflüsse einer dunkleren Wandfärbung und vieler Bilder und Kirchengeräte stand, und daher wohl kaum in gleichem Maße ansprach.

Eine gute Raumwirkung ist überhaupt die Stärke der märkischen Kirchenbaukunst , sie hängt unverkennbar mit der Konstruktion des Backsteinbaues zusammen, der besonders in Brandenburg seine weitgehendste pflege fand. Als die Bürger Frankfurts in ihrem starken Hanseatenbewußtsein zu dem Bau ihrer Pfarrkirche schritten, hatten sie wohl kaum an einen besonders umfangreichen Bau gedacht. Er zeigt die gleichen Ansätze wie die Berliner Kirchen, war wohl auch ähnlich geplant, hatte aber infolge mannig­faltiger Aus- und Anbauten bald eine be­sondere Ausdehnung erreicht. Das ist seiner äußeren Erscheinung nicht gerade günstig gewesen, die breit und weitlagig erscheint und zudem jeden Ansatz zu einer schlanke­ren Form durch viele Sandsteinbildwerke zunichte machte. Im Innern jedoch wöl­ben sich die Pfeiler und Mauern trotz ihrer Schwerfälligkeit zu einem prächtigen, gut­rhythmischen Raum, auf den die Ent­fernung der früher etwas bunt zusammen­gedrängten Bilder und Epitaphien nur gut Abt. 34. St. Nikolai in Berlin,

gewirkt hat. Man erkennt an diesem Bei- Nach Aufnahme von Hofphotograph J. Alb. Schwartz.

N"l'N xve. 87.

spiel, wie auch an der Marienkirche in

Angermünde (Abb. 36), daß die gute Schulung der Werkleute sich selbst da betätigte, wo äußere Hemmnisse im Wege standen, und daß sie sich mit den Verhältnissen abfinden konnten, wenn sich die ursprüngliche Planung nicht durchführen ließ. Gewiß ein Hin­weis auf die kräftige Belebung des Baugewerkes durch die Städte, das sich gleichwertig neben die der geistlichen Vorepoche stellen kann.

Lag das Schwergewicht der romanischen Zeit hauptsächlich in den unmittelbar von der Geistlichkeit errichteten Bauten, so bildete sich von 1300 bis 1350 auch in den Städten eine hochentwickelte Baukunst aus, die, beweglicher als jene, in dem Bewußtsein ihrer Kraft die baulichen Zeugnisse des Bürgertums vorzugsweise in den gotischen Backstein­formen ausführen und dadurch einen weit über die Grenze ihrer Civitas sichtbaren Aus­druck stolzer Behäbigkeit erstehen ließ. Wenn man die strenge romanische Kunst der kirch-