Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
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Obwohl wir die architektonische Wirkung dieses an und für sich keineswegs un­künstlerischen Aufteilungsplanes für das 13. Jahrhundert nicht kennen kein Bürger­haus ist aus jener Aeit unverändert auf uns gekommen! so dürfen wir sie dennoch als künstlerisch einwandfrei voraussetzen; denn auf der einen Seite fehlt das eigenwillige Hervordrängen des einzelnen Hauses, das an den vorsorglich schmalgeschnittenen Grundriß gebunden war, auf der anderen liegt in der Steigerung von den gleichmäßig großdachigen Häusern über die Tor- und Weichbauten zu der gewaltig aufragenden Pfarrkirche eine architektonische Wirkung, die auch dann noch bestehen bleibt, wenn wir uns die Straßen selbst vielfach in ländlicher Ungebundenheit vorstellen.

Es ist das freilich eine Wirkung, die von dem Städteerbauer zunächst gar nicht beabsichtigt war, sondern die sich als eine notwendige Holge der regelmäßigen Orts- anlage und der fast demokratisch nüchternen Gleichheit der städtischen Parzellierung ergab. Schon die Gewißheit, daß die Straßen unserer Altstädte wenig oder gar nichts Architek­tonisches in unserem modernen Sachsinne an sich haben, sollte uns abhalten, allzu viel bewußte künstlerische Planung bei der Anlage vorauszusetzen. Das, was unseren Augen so oft als eine künstlerische Leistung erscheint, ist häufig erst ein Ergebnis geschichtlicher Vorgänge, die das starre Schema durchbrochen, die vor allem mit Straßenpflasterung und Straßenflucht erst die volklichen und allgemeinen Begriffe ästhetischer Architekturwirkung geschaffen haben. Selbst die vielen Herren-, Ritter- und Junkerstraßen, die wir in unseren alten märkischen Städten finden, lassen mit ihren losen Verhältnissen zur Straße, ihren Vor- und Ausbauten, den davorstehenden Bäumen und dem Hauche der entschwundenen Jahrhunderte mehr eine malerische, landschaftliche, als bewußt architektonische Wirkung erschließen, wenn auch manchmal schon eine via lapidea (Berlin) als Vorbote künst­lerischer Absichten erscheint.

wenn man also ästhetische Gesichtspunkte bei der Planung unserer Kolonialstädte nur in zweiter Linie voraussetzen darf, so hat die Entwicklung früh schon den weg ge­wiesen, um mit diesem Schema auch die künstlerischen Eigenschaften des Stadtplanes freizumachen. Diese wurden gewissermaßen entdeckt, als man begann, die hölzernen Not- und Bedürfnisbauten durch steinerne zu ersetzen. Rathäuser, Aachen, Kapellen und die Wehrbauten entwickelten sich zu architektonischen Stützpunkten, an die sich in einer späteren Aeit, als auch die Straße schon nach ästhetischen Grundsätzen angelegt wurde, die Wohnhäuser anlehnten.

Ihren schönsten und klarsten Ausdruck fand die bürgerliche Baukunst im 13. Jahr­hundert in den prächtigen Wehrbauten. Zu Königsberg wurde die Stadt bereits im 14. Jahrhundert mit einer technisch hervorragenden Stadtmauer umzogen, aus der nicht weniger als 53 Türme und Tore hervorragten. Templin (Abb. 38), Guben, Jüterbog, Prenzlau, Brandenburg und viele Kleinstädte hatten ihre Wehrfähigkeit dadurch moralisch erhöht, daß sie ohne Rücksicht auf die Kosten besonders die Tore künstlerisch gestalteten. Bei den Nlauern kam der Granit zwar noch reich zur Anwendung; doch zogen die ansehnlicheren Städte auch schon den Backstein vor, der u. a. bei den Mauern von Königsberg, Brandenburg, Frankfurt a. d. O). und Berlin vorwiegt. Aus dem 13. Jahrhundert stammen wohl nur vereinzelt (Schönfließ, Friedeberg, Gransee) und dann vorwiegend die granitnen unteren Teile, aus dem folgenden die erhaltenen Tortürme