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die künstlerischen Grundsätze der Kunst des ersten Preußenkönigs auf einer normalen Linie weiterführen konnten. Daß Grüneberg selbst sich nicht neueren Anregungen verschloß, zeigte die auf einen Zentralbau strebende Neue Kirche auf dem Gendarmenmarkte, die mit ihrer fünfstrahligen Apsidenanlage einen neuen Raumgedanken durchzuführen suchte. Freilich war er auf anderer Grundlage schon an der von Nehring erbauten kreuzförmigen Parochialkirche (Abb. 98), die nach seinem Tode von Grüneberg vollendet wurde, und an der alten Dorotheenstädtischen Kirche1) aufgetreten, seine reifsten Schöpfungen waren indessen erst einer späteren Zeit Vorbehalten.
Es lag im Zuge der zentralisierenden Politik des preußischen Königs, die Förderung der Kunst mit Rücksicht auf seine Residenz zu pflegen. Darum ist von einer besonderen Bewegung in der Provinz nicht viel zu spüren. Nur die kleineren Orte, an denen der Hof sich zeitweilig aufhielt, fingen einige Strahlen der fürstlichen Kunstpflege auf. In Freienwalde wurde 1703 angeblich von Schlüter ein Brunnenhaus erbaut, ein Zahr später das Schloß in Oranienburg durch Eosander erweitert; in Potsdam ließ der König 1701 durch de Bodt den Verbindungsbau zwischen den Seitenflügeln mit dem Portal und der Kuppel herstellen. Damit ist aber das wesentlichste angegeben, was in Brandenburg in der Zeit des ersten Preußenkönigs außerhalb Berlins an größeren Bauten entstanden war. Das Bürgertum der kleinen Landstädte, das wohl Kenntnis von der starken Kunstbewegung der Hauptstadt nahm, stand der neuen Kunst ohne weitere Anteilnahme gegenüber. Auch waren die Finanzen kaum danach, diese Baulust zu übernehmen. Nur an einer Stelle der Provinz entfaltete sich selbständig eine Kunst, die sogar dauernder war als die der Hauptstadt. Das war in Neuzelle, dem alten Klostersitz aus dem Mittelalter, der seine politische Selbständigkeit noch nicht verloren hatte. Hier wurde nach den verheerenden Stürmen des Dreißigjährigen Krieges von dem Abte Bernhards 1635 bis 1660) und seinen Nachfolgern eines der glänzendsten Denkmälern kirchlich-barocker Kunst geschaffen (Abb. 99 u. 100). Die alte Klosterkirche wurde erweitert, mit reicher Stuckverkleidung versehen und mit dem größten Bilderzyklus in der Mark ausgemalt, in ihren wesentlichen Zügen jedoch nicht verändert. Größere Wandlungen gingen mit der Pfarrkirche des Ortes vor, die nach italienischen Vorbildern in den reichen Formen der Spätrenaissance umgebaut bzw. erbaut wurde. Sie trägt eine mächtige Vierungskuppel von etwas schweren Verhältnissen, eine kirchliche Eigenart, die in der Folge nicht weiter verfolgt wurde. Der Hauptteil der künstlerischen Arbeiten lag in den Händen fremder Künstler, die einen Einfluß von diesem vorgeschobenen Posten kirchlicher Überlieferung um so weniger ausüben konnten, als die Umgebung protestantisch und wirtschaftlich in einer keineswegs glänzenden Lage war.
Schärfer als in der Baukunst kam in der Bildnerei der Drang nach Einheitlichkeit zum Durchbruch. Solange die Kunst nur lokalen Bedürfnissen genügen sollte, waren in ihr noch Erinnerungen des Hausfleißes lebendig. Die ganze Zeit der kirchlichen Holzschnitzkunst war zum Teil nur eine in die gewerbliche Betriebsform übergeleitete Hauskunst. Erst Joachim II., der Große Kurfürst und Friedrich I. verweltlichten durch ihre Aufträge diese und andere Kunstzweige und stellten sie auf eine breitere gewerbliche
1) Mt den noch vorhandenen schlichten Grabmälern von Michael Matthias Smids, Rütgers von Langerveld und Arnold Nehrings.