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genommen hatte. Ein Eosandersches Schloß kann schließlich überall in Deutschland, ja selbst in Frankreich stehen, ohne an Wirkung zu verlieren; seine Kunst vertritt zum ersten Male in Brandenburg eine rveltbürgerliche Richtung lange vor ihrer bewußt einsetzenden Herrschaft; sie ist in diesem Sinne mehr Hofkunst als die des Niederdeutschen Schlüter. Zwischen diesen beiden Antipoden, die von der größeren Macht einer repräsentativen Hofkunst zu einer gewissen äußeren Einheit zusammengeführt wurden, stand die ältere brandenburgische Kunst mit ihrer architektonischen Gewissenhaftigkeit, mit ihrer fast militärischen Pflichtgewöhnung und mit ihrer langsamen Entwicklung. Sie war schließlich für die bürgerliche Kunst ausschlaggebend. Fraglich konnte es nur sein, ob sie sich nach der Schlüterschen Kraft oder nach der Eosanderschen Leichtlebigkeit entwickeln würde. Hier spitzte sich der Konflikt zu einem Entscheidungskampfe zwischen Können und posieren, zwischen Wahrheit und Schein, zwischen lebendiger Kunst und trägem Nachahmen. Entschieden konnte der Kampf nur werden nach der Art des künstlerischen Nachwuchses. Es war nach dieser Sachlage ein Glück, daß neben den beiden führenden Persönlichkeiten — de Bodt kommt wegen seiner geringen Bautätigkeit kaum in Betracht — noch ein Mann aus der strengen Nehringschen Schule wirkte, der seine Grundsätze durch beide Kunstrichtungen hindurchsteuerte und damit die Tradition, diese wichtigste Grundlage aller schwachen Kräfte, durch alle Gefahren lockender Außenseiten hindurchrettete und damit den Grund für die Blüte der späteren friderizianischen Kunst legte.
Dieser Mann war Martin Grüneberg, dessen Anteil an der Kunst des preußischen Hofes noch keineswegs gebührend dargestellt ist, wenigstens nicht nach seinem Einflüsse, seiner Stärke und seiner Dauer. Schon Gurlitt deutet in seiner Biographie Schlüters auf diese fehlende Anerkennung hin, ohne indessen weiter auf den Meister einzugehen. Was ihn für Berlins Bauentwicklung so wertvoll macht, ist die peinliche Gewissenhaftigkeit, mit der er alle Einflüsse der Zeit — auch die Schlüters! — zu verarbeiten wußte; das ist ferner sein technisches Geschick und das Verständnis für die Straßenwirkung eines Bauwerkes. Auf die Platzgestaltung Berlins hat er einen großen Einfluß gewonnen durch die verständige Einfügung der Kirchtürme, die vom Anfänge des 18. Jahrhunderts begannen, das Berliner Stadtbild zu beherrschen. Grüneberg ist der eigentliche Schöpfer des bürgerlichen Berlin, soweit es noch nicht von den Bauten des Herrscherhauses bestimmt war; im weiteren Sinne ist auch die spätere Bauweise des Empire auf ihn zurückzuführen, die zuletzt auf den — in der Gegenwart leider durch kleinliches Epigonentum etwas in Verruf geratenen — Biedermeierstil hinstrebte. Grünewald hat u. a. auch dem Cöllnischen Fischmarkte eine residenzliche Gestalt gegeben, indem er durch die erst im 19. Jahrhundert an ihre gegenwärtige Stelle verlegte Petrikirche den Platz auch im Süden ganz vorzüglich abzuschließen verstand. Als er 1707 nach achtjähriger Wirksamkeit als Baudirektor starb, da waren seine Bauten: das erst nach seinem Tode nach seinen Plänen begonnene Töllnische Rathaus, das Friedrichshospital, das ehemalige Proviantmagazin in der Neuen Friedrichstraße und eine Anzahl von Kirchen1) feste architektonische Richtungspunkte für seine Mitarbeiter und Nachfolger, die
1) Darunter die 1720 schon wieder verschwundene ältere Garnisonkirche und die im Jahre 1752 stark veränderte Kirche in der Cöpenicker Vorstadt, die Luisenkirche.