Am Eingänge der brcmdenburgischen Literaturgeschichte steht eine der ritterlichsten Erscheinungen unter den Fürsten seiner Zeit, eine Gestalt voll Tatkraft und persönlichem Mute, besungen und gepriesen von zeitgenössischen Dichtern: Otto I V. „ mit dem Pfeile", der seit 1266 mit seinen drei Brüdern gemeinschaftlich in ihren Erbteilen regierte, bis an sein Ende 1309 Markgraf und Herr dieses Landes, das er in manchen Kämpfen gegen weltliche und geistliche Widersacher siegreich verteidigte und mehrte, und dem er im Römischen Reiche Deutscher Nation eine ansehnliche Stellung zu erringen und bewahren wußte.1)
Er war nicht der einzige Herrscher des 13. Jahrhunderts, der „dem Drange der Zeit" opferte und in Liederdichtung und Verskuust sich betätigte. Walter von der Vogelweide hatte in der ersten Hälfte dieses Zeitraumes dem ritterlichen Dichter ein neues Stoffgebiet erobert und dasselbe durch seine künstlerische wie menschliche Bedeutung zu wert und Ansehen gebracht. Bis auf ihn war die eigentliche Minnepoesie adligen Dichtern iiberlassen gewesen, während die Fahrenden „sich auf die alten Gattungen der volksmäßigen Gnomik beschränkten"; jetzt ward die Spruchpoesie auch Eigentum der adligen Sänger. Damit wurden manche sozialen Unterschiede verwischt; die Spielmänner blieben, wie Walter, die Sprecher der öffentlichen Meinung in Angelegenheiten des Vaterlandes und widmeten sich zugleich der höfischen Minnepoesie. Diese Wirkung Walters verbreitete sich im ganzen Umfange aber nur über Süddeutschland; in nördlichen Gegenden nahmen die bürgerlichen Spielleute den neuen, großen Inhalt der altüberlieferten Formen, Politik und Volksleben, für sich in Anspruch, während die Liebes- poesie noch immer als „adlige Kunst", als Vorrecht und Besitztum des ritterlichen Standes galt. So hat, ungefähr von (250 ab, im Norden Deutschlands die höfische Liebeslyrik in den Kreisen des fürstlichen Adels eine Nachblüte erlebt, die in Meißen bzw. Sachsen, Brandenburg, Breslau, Böhmen und Rügen ihre Stätten fand. Die Väter solcher gefürsteter oder gekrönter Dichter waren Gönner und Förderer des Minnegesanges ge-
1) Friedrich Rambach (1767/1826) hat in dem 1797 bei Fr. Maurer in Berlin erschienenen fünfaktigen „vaterländischen" Schauspiele Otto mit dem Pfeile, Markgraf von Brandenburg, das dem Großen Kurfürsten vor Ratenau folgte und dessen Handlung im Jahre 1278 spielt, die Episode =ttos mit Johann von Buch umständlich und reichlich ungeschickt behandelt; des Markgrafen dichterische Tätigkeit wird hier — den geschichtlichen Tatsachen entsprechend — nur als eine flüchtige und nebensächliche Episode gestreift (Akt 2, 1. und 4. Auftritt). — Angefügt sind dem Stücke „in möglichst genauer Übertragung" die sieben Lieder des Markgrafen, nach dem Abdrücke in der Berlinischen Monatsschrift, Bd. 22, Juli Z 793 , S. 80—92. — In dem vaterländischen Gedicht von Fritz Eichberg „Markgraf Otto der Minnesänger" (1893) wird im vierten Gesang: „Ein Gastmahl auf Schloß Grimnitz" anschaulich und mit Verwendung etlicher Verse Ottos Geschildert, wie der Markgraf „zum Preise edler Frauen" singt.