Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
Seite
199
Einzelbild herunterladen

wesen, so weilten z. B. bei dem Vater des Markgrafen Heinrich III. von Meißen, bei Dietrich IV., Walter von der Vogelweide und Heinrich von Morungen zu Gaste, und der Tannhäuser hatte Heinrich III. von Breslau wegen seiner Freigebigkeit gefeiert. Die Söhne übten dann selbst die Kunst, in deren Pflege und Betätigung sie aus­gewachsen waren.

Zu diesen fürstlichen nord- und mitteldeutschen Minnesängern, die Verwandtschaft und Freundschaft untereinander verband und deren künstlerische Note als einmaßvoller Realismus" gekennzeichnet werden kann, gehört nun auch Otto IV. von Brandenburg. Er war der zweite Sohn Johanns I. (des Urenkels des ersten askanischen Markgrafen von Brandenburg, Albrecht des Bären), seit 1261 vermählt mit Heilwig (Hedwig), Johann von Holsteins Tochter; sein langes, tatenvolles Leben zeigtebesonnene Tapfer­keit und kühnen Standmut", begleitet von stets heiterer Laune; er bemühte sich um den Anbau und die pflege der Länder der Mark, wie aus dem Landbuche von (377 hervor­geht; er gab Gesetze über den Kornhandel, schloß Handelsverträge mit den Hansestädten, sorgte für die Errichtung von Schöppenstühlen und traf Maßregeln gegen die Juden­verfolgungen. Er war im Frieden einer fröhlichen Hofhaltung geneigt, einer Lebens­weise unter Sang und Klang, wie es das Bild in der Manessischen Liederhandschrift zeigt,1) wo er mit seiner jungen Gattin, umgeben von Spielleuten, beim Schach sitzt. Der Wert seiner Persönlichkeit findet einen Widerhall bei manchen Dichtern dieser Zeit;2) Hermann Damen (aus Dahme in der Mark?) trat zum Preise aller brandenburgischen Fürsten auf, deren jeder wohl mit dreier Fürsten Tugenden bekleidet sei zu ihnen ge­hörte auch Otto; der Tannhäuser rühmte laut: die Herrscher in der Mark sind der Weisheit voll undihre Weisheit steht nach Gute", und der Meißner pries ihn als Bronnen aller Tugenden, als Stärker und Riese des rechten Glaubens; als Bildner der Ehren, als Zuchtmeister der Keuschheit und Mäßigkeit, als Grundpfeiler der Beständig­keit, als einen Helden, der Tag und Nacht nach Lob und Thre ringt und dessen Ruhm in manchen Landen blüht". Dabei wird freilich Ottos Lieder niemals gedacht: er stand nicht in erster Reihe unter seinen dichtenden Standesgenossen und ward an poetischer Begabung von gar manchem übertroffen. Seine Lieder bezeugen zwar ein gesundes, kräftiges, stellenweise auch wohl zartes Gefühl, eine männliche Freudigkeit und Biederkeit, und doch ist er nur ein kleines, liebenswürdiges Talent, dem es nicht gegeben war, einen innerlich oder äußerlich neuen Ton zu finden; er hält sich von den Auswüchsen der Künstelei und Sentimentalität fern und gestaltet verhältnismäßig durchschnittliche Empfindungen in netter, aber bekannter Weise. Nur sieben Lieder sind von ihm in der schon genannten Manessischen Handschrift erhalten, von denen drei anscheinend unvollständig über­liefert sind und die nichts von seinem tatenreichen Leben melden; eine gewisse Frische des Tones allein scheint auf den Charakter und das Temperament des Sängers schließen zu lassen. Der Stoffkreis ist eng, fast dürftig; drei Gedichte knüpfen an die Jahreszeit an:

1) Abgebildet in Fr. v. d. Hagens Bildersaal deutscher Dichter, 1856, Tafel V. vgl. dazu Richard M. Meyer, Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, Bd. 44, 1900, S. 244 (identisch mit Brandenburgia, Bd. 40, S. 247 u. 248), der das Bild auf epische Miniaturen zurückgeführt wissen will.

2) vgl. Fr. v. d. Hagen, Minnesinger, Bd. III, S. 407, Str. 446; S. 4 S 5 b, Str. 20.