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in dem einen Winterliede steht der auch sonst vorkommende Gedanke,1) daß des Winters Beschwerden und das Welken der Blüten gleichgültig seien gegenüber dem Glücke der Liebe. Ein Sommerlied zeigt die schlichteste Naturschilderung; ein anderes Wal wird von der rechten Art der Winne im Tone der moralischen Spruchpoesie gehandelt. So hat er sich die weisen der fahrenden bürgerlichen weister zu eigen gemacht und sie mit dem geistigen wie seelischen Gehalte des Gesichtskreises seines Standes zu einen versucht und gewußt. Otto wiederholt sich in den wenigen Strophen in den Gleichnissen und im Ausdrucke; er hat manchmal einen glücklichen Fluß der — hochdeutschen — Sprache, die in wenig komplizierten Strophenformen einfach und doch anschaulich sich dem schlichten Inhalte anschmiegt, ohne aber im bildlichen Ausdrucke etwas Selbständiges geben zu können: Bekenntnisse wie — um nur ein Beispiel hier zu nennen —
Ir durlühtig roter munt
Hat mich uf den tot verwunt
sind ganz aus dem Empfinden und der Formgebung Walters von der Vogelweide geflossen, so daß von einer besonderen persönlichen oder sachlichen Eigenart hier nicht die Rede sein kann. Die vier Liebeslieder sind Bekenntnisdichtung — Zeugnisse eines männlichen Charakters, der der erwählten Frau „mit ganzen trüwen" zu eigen ist, und für den das Wort „Ane minne ist niemen wert" eine Lebenserfahrung darstellt, wie sie z. B. auch das folgende Gedicht zum Ausdruck bringt, das ich in einer Übertragung2) mitteile:
Räumt den Weg der schönsten aller Frauen! Laßt die Tugendreiche mich erblicken!
Meines Herzens Kaiserin zu schauen,
Fände wohl ein Kaiser Hochentzücken.
Über Sterne darf mein Loblied steigen;
Meinen Himmel kann ich nicht verschweigen, wo sie wohnt, dem Land muß ich mich neigen.
O Frau Minne, stille Botin, sage Meiner Hehren, daß ich sie nur minne,
Sie nur ewig in Gedanken trage Und auf neue Huldigungen sinne, Wollt' ihr süßer Mund mir lieblich lachen. Meine Trauer dürft' ich nicht entfachen. . . Müßt' zu besserem Lob erwachen.
Ach, die Blümlein fallen auf der Heide,
Und die Reine duldet kein Umarmen,
Trost, Frau Minne, Trost im Doppelleide!
Laßt mein Lied des Kranken sich erbarmen!
Sie kann mich heilen wohl und wohl verwunden, Bedächte sie sich noch in kurzen Stunden,
So wären Lenz und alle Not verschwunden.
1) Bei Wenzel von Böhmen; vgl. Fr. v. d. Sit daz der winter hat die bluomen in getan, der kleinen vogelin suezen sank in walde und such in ouwen.
So wil ich raten, da wir bezzer vroude Han, swer volge mir, der habe des dank:
Hagen, Minnesinger, Bd. S. 9a, Str. 6: die reinen suezen vrouwen Die sol man alle stunde vür bluomen uf der Heide sehen; hei weih ein lebende; ougen drehen, swa spilnde blikke bringent munt zu munde!
2) Übersetzung — wie die folgenden — nach Fr. Xaver Seidl, „Deutsche Fürsten als Dichter und Schriftsteller". Regensburg, 1883, S. XII. — vgl. auch Fr. H. v. d. Hagen, „Die brandenburgischen Markgrafen des askanischen Stammes als Dichter und von gleichzeitigen Dichtern besungen"; 1840; über den „Eichendorff seiner Zeit" handelt auch A. Boerkel in: Die fürstlichen Minnesänger der Manessischen Liederhandschrift, 1882, S. 54/68 unter Mitteilung der Ge- dichte Ottos im Original und eignen Übersetzungen.