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Auch die kürzeren Strophen gehen aus diesem Ton1) und runden so das Bild eines Mannes, dem die Dichtung wohl nur die tändelnde Freundin müßiger Stunden war, der aber unter den Genossen seines Standes und seiner Kunst an einer immerhin wenigstens beachtenswerten Stelle stand.
Der Liebsten Mund.
Ich sah die Minnigliche, Gute In ihrem festlichen Gewand,
Und wieder ward mir froh zumute, Als sie so reizend vor mir stand.
Ihr roter Mund mit seinem Glühen Schien mir ein Feuerhort zu sein, Aus dem wie Liebesflammen sprühen Mir holde Grüße, süß und rein.
Bitte an Gott.
O wolle, Herr, in deiner Güte,
Doch meiner Minniglichen pflegen!
In steter Treue sie behüte,
Und leih ihr süßen Segen!
Sie hat verdient ihn offenbar,
Drum, lieber Gott, nimm ihrer wahr!
Der Beständige.
Miederkehrt ein lichter Mai Nach der langen Winternacht:
Er bringt Blumen mancherlei.
Seht die süße Blütenpracht! wohlbelaubt steht der Wald, Vöglein singen mannigfalt', Schwermut hat nicht mehr Gewalt.
Will nach ihrer Huld wohl ringen Alle meine Lebenstage.
Soll mir's nicht an ihr gelingen, Sterb' ich voll sehnender Klage. Ihr leuchtend roter Mund hat mich auf den Tod verwund't: Nur ihr Trost macht mich gesund.
Winterüberdruß.
Winter, deine drüben Stunden, Deine Herrschaft streng und kalt Hab' ich nun genug empfunden, hätt' ich über dich Gewalt,
O gewiß, zum Opfer brächte Ich wohl manche lange Nacht, wo ich nicht ans Minnen dächte, Das mir so viel Freude macht.
1) Als Probe von Ottos Ausdrucksweise diene das sechste Lied, in v. d. Hägens Sammlung Minnesinger, I, S. 12 :
Ich hate ze vrönden minen muot gepriset nu vil manigen tak Uemb eine schoene vrouwen gout: daz mich daz niht gehelfen mak,
Daz klage ich, unde mouz mir dikke tuon so we;
O we, daz ich also selten mine schoene vrouwen sei
Swa ritter un de vrouwen sint, al da mag eren vil geschehen;
Jedoch ist daz vil gar ein wint da wider, und ich min liep mak sehen:
Si liuhtet, sam diu sunne, und ist Wandels vri; vil saelik si ir reiner lip, und allez, daz ir wonne bi!