— 2 ^ —
lei Schwankungen unterliegt, Germanismen und andere Einflüsse aufweist und nur selten in klassischer Reinheit gepflegt wird; hier und da finden sich, wenn auch nur vereinzelt, sogar griechische Verse. Auch ist die äußere Form oft reichlich abgeschmackt: eine spielerische Anordnung der Worte im Satzbilde, in Form von Kreuzen, Herzen, Anker, Sternen und anderer Emblemen, muß nicht selten zur Erhöhung der „poetischen Wirkung" mit beitragen helfen. Einen Mangel an Motiven kann man diesen lateinischen Dichtern und Dichtungen nicht nachsagen: Wechselfälle des täglichen Lebens, ein vom Blitz getroffener Kirchturm, eine baufällige Treppe im Rathause waren ebenso Gegenstand eines carmen eleZiaenm wie ein Preisgedicht zum Ruhme des regierenden Herrschers oder eines seiner Räte, zum Lobe eines Freundes oder zur Hochzeit eines Bekannten unzählig oft in allen Formen und Fassungen wiederkehrt. „Überall drängen sich die antiken Götter ein; selbst in den geistlichen Dichtungen wird Jehova zum Jupiter, Christus zum Apollo oder Amor. In den Lobgedichten auf die deutschen Fürsten müssen jene antiken Götter alle Hofämter übernehmen, Mars abwechselnd jedem Kurfürsten seine Waffen, Venus jeder durchlauchtigen Dame den Gürtel der Amnut leihen oder die Frisur besorgen. Kein deutscher Berg und Wald, keine Wiese bleibt frei von antiken Nymphen, Faunen, Satyrn. Jede Bauernmagd wird zu einer phyllis oder Chloris. Keine Vergleichung macht der Dichter mehr, die nicht aus einem Klassiker entlehnt wäre und auf antike Vorstellungsweisen Bezug hätte."1)
Ich stelle im folgenden — neben älteren Resten — etliche lateinisch-märkische Lyriker und Epiker zusammen, — das Drama bedarf einer gesonderten Betrachtung, — deren Persönlichkeit und Werke sich aus der großen, allzu großen Masse herausheben, und welche die typischen Züge solch' dichterischer Betätigung aufweisen. Eine auch nur annähernde Vollständigkeit könnte hier ausschließlich in lexikalischer Form geboten werden, ohne daß aber damit das Gesamtbild in irgendwelcher Weise geändert würde.
Größere Dichterwerke in lateinischer Sprache sind in der Mark nur wenige entstanden; dagegen war sicherlich die Menge lateinischer Inschriften an Haus, Gerät und Gruft eine überaus große. Von dieser Poesie der Inschrift sind nur geringe Reste aus uns gekommen; hierher gehört aber das älteste uns erhaltene Denkmal lateinischer Dichtung in märkischen Landen, jener leoninische Vers (bekanntlich ein Distichon, dessen Glieder sich reimen):
0 felix Lenin et tua filia Chorin
Ex te est orta Nova Cella et Coeli porta,
wie es im Kloster Himmelpfort zwischen Fürstenberg und Lychen zu lesen war. Kirchen und Klöster, Mauerbögen und Bilder mögen so manche Zeugnisse mönchischer Reimereien aufgewiesen haben; auch Inschriften auf Glocken waren häufig, von denen z. B. in Jüterbog eine solche aus dem 1 4 . J ahrhundert sich erhalten hat:
Jesu magne,
Dei agne,
Tu dignare Nos sulvare!
1) Wolfgang Menzel, Geschichte der deutschen Dichtung, Bd. 2 , 1859, S. 265 /6.
»