328
Das große romantische Ritterschauspiel vom holden Waffenschmiedstöchterlein und dem glänzenden Grafen Wetter vom Strahl schenkt der deutschen Dichtung einer der lieblichsten Mädchengestalten germanischer Kunst, die ebenbürtige Genossin Ophelias und Gretchens. In der kraftvoll farbigen Umwelt, die nicht minder lebendig als Goethes „Götz" das Deutschland der Ritterzeit wiedergab, jubelt heimlich Freude an und über heimische Herrlichkeit der Altvorderen in herzbezwingender Weise. Der Ritter vom Strahl ist echt junkerlich, aristokratisch und deswegen eben echt kleistisch; neben dem romantischen Spiel, neben Silvestertraum und Femgericht, neben Schutzengel und Nixe steht diese persönliche Färbung des Stoffes als Kleists eigenste Art. Noch zeigt sich die vaterländische Gesinnung des Ritterschauspieles, als unausgesprochene Begeisterung, als künstlerisch verhaltene Sehnsucht. Als Tendenz wird sie erst im „Michael Kohlhase"') im letzten Teile dieser „Erzählung aus einer alten Lhronik" fühlbar. Aus brandenburgisch-preußischem Patriotismus heraus ist hier der Kurfürst von Brandenburg auf das liebevollste behandelt, aus deutschem Patriotismus dagegen der Kursürst von Sachsen — der Norfahr von Napoleons Freund — als gar klägliche Figur hingestellt. Und das geschieht in bewußter, deutlicher Abweichung von der Geschichte und ihrer Überlieferung . . . am Schluffe, als der sächsische Herrscher, durch die böse Prophezeiung zerrissen an Leib und Seele, nach Dresden zurückkehrt, steht das bedeutsame Wort: „wo man das Weitere in der Geschichte Nachlesen muß" . . .
In der Hermannsschlacht nun gelang es Kleist, die Tendenz ungleich machtvoller hervortreten zu lassen und dabei doch die künstlerische Form nicht zu sprengen. Noch weiter griff er in die deutsche Norzeit zurück und noch mehr vom leidenschastlich- deutsclmi Wollen seiner eignen Epoche goß er in das Drama. In echt weimarischem Sinne hatte der Nater Körner gemeint: eben um den drückenden Verhältnissen der Wirklichkeit zu entgehen, flüchtet man sich so gern in das Reich der Phantasie; und das Schicksal Palms hätte sicherlich jeden getroffen, der sich irgendwie dieser wuchtigen Anklage gegen fremde Tyrannei, dieser von unbarmherzigem Zorn sprühenden, durch den bsi- geselllen Humor nur um so gefährlicheren Aufhetzung zur Vernichtung aller „Römer" in Germaniens Grenzen angenommen hätte.
Aurz, wollt ihr, wie ich schon einmal euch sagte,
Jusammenraffen Weib und Rind Und auf der Weser rechtes Ufer bringen,
Geschirre, goldn' nud silberne, die ihr Besitzet, schmelzen, perlen und Juwele» verkaufen oder sie verpfänden, verheeren eure Fluten, eure Herden Erschlagen, eure Plätze niederbrennen,
So bin ich euer Mann - — —
So spricht Hermann-Heinrich, so erneuert er Briefworte aus dein Jahre 1.805, und so greift er in dichterischer Prophezeiung auf die Jahre s8s2 und 1,813 hinaus!
') vgl. über Aohlbase-Vramen: p. A. Merbach in Brandenhurgia, April- Maiheft sylz. — Auf die Anführung von irgendwelcher Literatur zu H. v. Meist glaubte ich in diesen Zusammenhängen verzichten zu dürfen.