Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
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Und Armins Ziel wie Aleists Hoffnung ist die Vereinigung Deutschlands! Neben solche» Hoffnungen, neben manchen, geringfügigen Übertreibungen der Handlung und des rein Szenischen steht doch in der Hermansschlacht eine erstaunliche Besonnenheit mitten im Sturm und Wirbelwind der politischen Leidenschaft, ein Vermeiden jeglicher Allegorie und jeglichen Pathos. Aleistsunerhörtes Unglück" hat sich in so vielen Beziehungen während der zwei letzten Jahre seines Lebens bis zur Unerträglichkeit gesteigert. Er hatte immer ein ideales Ziel vor Augen gehabt: Tugendglück, Wahrheit durch die Wissenschaft, Erfüllung des Dichterberufes und Ruhm für seine Familie, Freiheit und kraftvolle Einig­keit des Vaterlandes; erst als alles dies ihm verdunkelt schien und sich alles vereinigte, ihm die Erfüllung eines überall täglichen Lebenszweckes für damals unabsehbare Zeit unmöglich zu machen, folgte er dem lange gehemmten Drange nach einemanderen Stern". Seine literarischen Unternehmungen scheiterten, die ersten Bühnenschicksale des Aäthchens und des Zerbrochenen Aruges sind bekannt; er hoffte in Prag ein vater­ländisches Grgan,Germania", gründen zu können, doch mußte sich Österreich noch einmal dem stärkeren Napoleon fügen. Angeknüpfte Beziehungen zur Aönigin Luise wurden durch deren unerwarteten Tod wieder abgeschnitten:Es ist wirklich sonderbar, wie mir in dieser Zeit alles, was ich unternehme, zugrunde geht, wie sich mir immer, wenn ich mich einmal entschließen kann, einen festen Schritt zu tun, der Boden unter meinen Füßen wegzieht." Er hatte das Geldverdienen durch Schriftstellerei ursprünglich ver­schmäht, er wollte jetzt nur der Dichtung, weil erdichten mußte", leben und dem Vaterlande dienen: jetzt mußte er ein Unterhaltungsblatt, die Berliner Abendblätter, gründen. Bald mußte diese Zeitschrift ihr Erscheinen einstellen, sein letztes vaterländisches DramaDer Prinz von Homburg", vermochte er in keiner Weise unterzubringen, auch der Versuch, als Offizier in die Armee zurückzutreten, ward in seinen praktischen Folgen und Ergebnissen im Aeime schon erstickt; eine undurchdringliche Mauer der Verständ­nislosigkeit, der hoffnungslose Ausblick in die Zukunft des Vaterlandes gaben für Aleist in den entscheidenden Stunden des 21. November 18i1 an den Ufern des Wannsees bei Berlin den Ausschlag. Als Aünstler wie in den Dingen seiner vaterländischen Gesinnung war Aleist seiner Zeit voraus; er hatte als Erster den Mut, sein Dichten rückhaltlos dem heimische,: Land und seinen Geschicken zu weihen; er schuf in den Zeiten einer immer unfruchtbarer werdenden Alassizistik die Ansätze und Typen einer Tharakterdramatik von schlichter, echter Menschlichkeit. An, Ende seines Schaffens steht die Gestaltung brandenburgisch-preußischen Werdens und Fühlens, preußischer Pflichtenstrenge und Heldenkraft, getragen von lebensprühenden Persönlich­keiten und vorwärtsstürmend in einer Sprache von wundervollster knapper Prägung und Ehrlichkeit, ohne jede patriotische Tendenz, geboren aus der Freude am Preußentum, die einem brandenburgisch-preußischen Junker Erbteil des Blutes war und die Aleist im Rahmen und auf dem Hintergründe eines allgemein menschlichen Aonfliktes als letztes Bekenntnis seines Wesens, als den Höhenpunkt einer brandenburgischen Literaturgeschichte den Nachfahren hinterließ.

Anapp vor Aleists Tode war in Berlin die Friedrich-lVilhelm-Universität eröffnet worden; die Thristlich-Deutsche Tischgesellschaft fand den Ton einer launig-ernsten