Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Entstehung
Seite
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Den oben erwähnten Spott gegen Raupach hat platen freilich auf das ganze Berlin ausgedehnt, woder große Haufe toll" sei; von dieser Übertreibung hielt sich Wilhelm Hauff fern, der sich gegen den beliebtesten Romanschriftsteller Berlins und Deutschlands überhaupt Larl heun (unter dem Pseudonym h. Llauren) mit Recht wandte; charak­teristisch ist für solche Polemiken schon allein die Tatsache, daß hier der alte Gegensatz zwischen Süd- und Norddeutschland auf ganz bestimmtem Gebiete zum Ausdruck kommt, wenn sich der Bayer Platen und der wüttemberger Hauff gegen Raupach und heun wenden! Neben heun ist Julius von Boß (f7681,832) ernsthafter im Streben und wirken;') er ist einer der letzten Berliner Aufklärer; denn während die neuen Ideen des Jahrhunderts schon herrschten, blieb Boß seinen Idealen, welche er den Zeiten Friedrichs des Großen entnahm, treu und suchte ihnen, wenn auch vergeblich, Gehör zu schaffen. Gin scharfer Blick und eine gute Kenntnis des Auslandes hatten ihn die Schäden des alten preußischen Staates nur zu deutlich erkennen lassen; Boß besaß den Akut, nach Preußens Katastrophe vom Jahre f806 die Schäden in Heer und Staat un­barmherzig zu brandmarken: der neuen Zeit verschloß er sich mehr und mehr. Daneben erfüllte sich ihm das harte Schicksal eines freien Literaten, der um des täglichen Brotes willen Dutzendware dutzendweise auf den Markt schleudert und dabei sklavisch dem Ge­schmacks des Publikums folgen muß. Aus der Unmasse der Produktion, die nicht immer in gleicher weise wertlos ist, ist hier der Bersuch, Berliner Kleinleben darzustellen, wichtig; hier hat Boß in bescheidener weise bahnbrechend gewirkt. Gr stammte als Sohn eines typischen, schöngeistig-tüchtigen Gfsizieres jener Tage aus Brandenburg a. d. Havel; die Einzelheiten seiner Entwicklung, seine mannigfachen militärischen wie politischen Pläne führen hier zu weit: Boß' Lebensbild zeigt seine kritische Stellung und seinen Kampf gegen die Zeittendenzen aus mannigfachem, auch literarischem Gebiete. Die Schilderung des Berliners und Berlinertums beginnt bei Boß mit drei kleinen Lustspielen Berlin f72Hf824fft24, die nur äußerlich miteinander verbunden sind, indem sie in Gene­rationen einer Familie spielen. Das erste von den Stücken ist das beste; es schildert die Zeit, da man morgens noch Grützsuppe statt des Kaffees genoß und unartige Mädchen in den Keller sperrte. Gin tüchtiger Berliner Handwerkerssohn heiratete eine französische Emigrantin; noch besser ist das alte Berliner Bürgerhaus in denModen der guten, alten Zeit" getroffen, einem launigen Zeitgemälde aus dem Ihre f750. Die beiden anderen Stücke Berlin s 82 H>ft 2 ^ sind nur oberflächliche, burleske Produkte. An andere mehr gelegentliche Berliner Schilderungen aber fügte Boß noch drei Lustspiele mit scharf ausgeprägter Tharakterisierung der rein lokalen Momente; im engsten Anschluß an des Wieners Meisl Damenhüte im Theater schrieb er: Die Damenhüte im Berliner Theater; es ist ihm hier fast besser als seiner Borlage gelungen, das Kolorit der Großstadt zu treffen und ein wirkungsvolles Berliner Lokalstück zu schaffen. Die beidenfeinen" Berlinerinnen, die Töchter eines reich gewordenen Gastwirtes, halten es nicht für nötig im Theater die sehr umfangreichen hüte abzunehmen und erteilen einein höflich bittenden Stettiner, dem sie jede Aussicht versperren, eine grobe Antwort; von ei,rem französischen Tanzlehrer und einem italienischen Gitarrespieler lassen sie sich den Hofrachen und tragen im Hause Handschuhe, weil sie darin ein Kennzeichen der feinen Welt sehen, während sie

') vgl. Hahn, I- v. veß, (palästra, Bd. Sch, 2;z S.