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Beginne seiner großzügigen Entwicklung; es ward aus seiner kleinstädtischen Ruhe auf- geschreclt: das ist der Rahmen für Glaßbrenners Berliner Typen, unter denen der Leichtlebige, der Streber, der bescheidene oder gutsituierte Handwerker und die Berlinerin immer wiederkehren. Er ging in den Straßen Berlins umher wie ein Photograph — wie Laube sich ausdrückte— so ist die Realistik das erste Kennzeichen seiner Kunst und sie tritt bei ihm zum ersten Male als eine bestimmte Forderung auf, die vorwärts weist in die kommende literarische Entwicklung. Der Berliner Bolkswitz aber, für den Glaßbrenner in den von ihm herausgegebenen Sammlungen „Buntes Berlin" und „Berlin wie es ißt und — trinkt/) die Prägung fand, wandelt sich nach. fMO unter der Einwirkung äußerer allgemeiner Berhältnisse zu einein politischen Witze ganz spezifisch Glaß- brennerscher Observanz. Zu Angely befindet er sich in einem starken inhaltlichen Gegensätze: Glaßbrenner verfechtet die neuen demokratischen Ideale und Forderungen, während in den Stücken Angelys — wenn auch unaufdringlich und auch darin im Gegensätze zu Glaßbrenner — die alten ständischen Tendenzen herrschen; dessen Menschen stehen geistig und seelisch ganz unter den Wirkungen der Reaktion, die Ansprüche und Ergebnisse der s 830er Revolution gehen hier spurlos vorüber, bei Glaßbrenner ist dagegen von Anfang an ein Menschenschlag am Werke, dessen ganzer Habitus eingestellt ist auf jene Gegenströmungen, die schließlich zur großen Bewegung von s8H8 geführt haben. Glaßbrenners Komödie vom Stralauer Fischzug aus dem Jahre 1,833 steht unter mancherlei Einfluß des gleichnamigen Werkes von I. von Boß; Achim von Arnims wunderliche Tragikomödie „Der Stralauer Fischzug" konnte er nicht kennen, weil sie erst s8qch durch Bettina aus dem Nachlasse veröffentlicht wurde. Der heimatstreue Märker, der in Gubitz' Gesellschafter die Neubelebung der Berliner Zünfte vertrat, war zu diesem Lustspiele durch Ereignisse seiner Tage angeregt worden; ein „vierschrötiger Humor" durchweht die Darstellung dieser städtisch-kurfürstlichen Kämpfe; der Ausblick auf künftige Größe hebt den Abschluß des Stückes, das buntscheckig genug Idylle mit Burleske paart, in eine höhere Sphäre, denn der Landesherr denkt als Bürger künftiger Zeiten. Ein Bergleich beider Stücke zeigt deutlich den Unterschied zwischen den Persönlichkeiten der Verfasser und den Wandel der Zeiten im Laufe weniger Jahrzehnte: dem Märker Arnim wird es nur auf dem Lande wohl, und dem Berliner Glaßbrenner, einem ausgesprochenen Stadtmenschen, ist die Mark schwerlich mehr gewesen als eine preußische Provinz mit zwei Regierungs-
st H. Laube, Lrinnerungen, Wien t 87 S, Bd. I, S. 2;8/I.
2 ) Zn rein formaler Beziehung möchte ich hier auf die t 830 erschienenen Kedues psxu- isärss vott Henri Monnier stsos/??) Hinweisen, die auf dem Titel der Buchausgabe den Zusatz führen: ässr-iuöss ü piums und durch diese Verbindung von Wort und Bild Berührungs- punkre mit Glaßbrenners Produktion aufweisen. Monnier hat mit einer seltenen Genauigkeit der Beobachtung Sitten und Lächerlichkeiten „äs In vlusss bouizsoiss st plöbäisnns« gezeichnet. Auch er schuf einen wiederkehrenden Typus in der Person des Monsieur M. prudhomme, der als das unmittelbare Vorbild von Glaßbrenners Eckensteher Nante anzusprechen ist. Monnier schrieb glich umfangreichere Bühnenwerke in Verbindung mit anderen, zu denen er nur die Ideen gab; doch wiederholte er immer wieder die Manier der Genrebilder, zum Beispiel in den Loviiss äs tu vilts st äs In oumpuAns die in Kednss xoputuire«
und kodnss äs tu vis drrrsuuorutirzus zerfallen; sogar solche anscheinend spezifisch berlinischmärkische Dinge wie die Landpartie und die Postkutschenfahrt finden sich bei Monnier schon vorgebildet, lvgl. über H. Monnier das Buch von Lhamxfleury, t 87 I, 2gI S.)