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bezirken! Sein Gedankenkreis wird von dem des jungen Deutschland mit bestimmt; das haben die Schöpfer und Förderer dieser Richtung auch erkannt und anerkannt, wie z. B. Gustav Kühne in seinem Karneval in Berlin*) Glaßbrenners wohlwollend gedenkt, und wie auch Th. Mundt in seiner Geschichte der Literatur der Gegenwart^ ihn schon richtig charakterisiert, wenn er sagt: Glaßbrenner ist zu einem Volksdichter im besten Sinne des Wortes begabt; er unterscheidet sich aber von den Iungdeutschen gerade dadurch, denn diese haben meist nicht über die Fähigkeit verfügt, zum Volke zu reden. Auch seine Vorliebe für den Dialekt bildet hier ein wesentliches unterscheidendes Merkmal, denn die Iungdeutschen bekämpfen geradezu die Mundart: Ludwig Wienbarg*) wird nicht müde, gegen die Pflege des Niederdeutschen zu Felde zu ziehen, Gutzkow hatte eine Abneigung gegen den „scheußlichsten aller Dialekte", den Berliner/) und selbst der eben genannte Mundb) bezeichnet es als widersinnig, die Einheit der neuhochdeutschen Schriftsprache durch landschaftliche Mannigfaltigkeit wieder zu unterbrechen. Die Wirkung Glaßbrenners reicht weit über sein eigentliches Schassen hinaus; dürftige Kopien wie die Genrebilder Berlin und die Berliner von Ludwig Lenz aus den Jahren >840—4l und die Fortsetzungen davon von Ludwig Eichler aus den folgenden Jahren sind kaum der Rede wert, doch hängen andererseits die„Gelehrten des Kladderadatsch" eng mit ihm zusammen, und in dein „Schöpfer des Berliner Feuilletons", in Ernst Kossak H8 !.4—80), fand er einen Zeitgenossen und Nachfolger, der ihm an Wissen und Stilgefühl vielleicht sogar überlegen war; eine bunte Berliner Welt läßt Kossak in scharfer Beobachtung und Charakteristik erstehen und spannt in der Sammlung aus dem Papierkorbe eines Journalisten (f852 und I,8öst) und in den Berliner Silhouetten slMst) den Bogen seiner Schilderung weit über eine Fülle der Gegenstände und Motive hinweg. Die alte Stadtpost und die Kurrende des Grauen Klosters wird geschildert, Henriette Sontag nach Leipzig begleitet, Mimenbilder Berlins abkonterfeit, die Droschke und der Omnibus ebenso beschrieben wie die Berliner Magd oder der Berliner Hauslehrer. Berliner Sommerwohnungen, die Berliner Musikantenbörse, Bürgerwehrerinnerungen, märkische Badeorte, der Maskenball bei Kroll, Kirchhofsgedanken am Friedrichshaine: das alles taucht in vier Bänden Berliner Federzeichnungen auf, in einer knappen, klaren Prosa, mit den Stilmitteln des Kontrastes und der Ironie behandelt, ohne zu verletzen.
Eine Kunst, die um ihrer selbst willen gepflegt wurde, blühte aber in diesen Jahr- Zehnten — um nur wenige Beispiele zu nennen — im Hause Abraham Mendelssohn- Bartholdvs in der Leipziger Straße, wo allsonntäglich die beiden Kinder Felix und Fanny Berliner und auswärtige Besucher um den Konzertflügel versammelten; auch die einstmals im wesentlichen zu Goethes Ehren gegründeten Mittwochsgesellschast pflegte sie, wo Thamisso der Altermann war. Hier trug Joseph von Eichendorff seine lyrischen Schöpfungen vor und ließ den Vortragenden Rat im Kultusministerium völlig vergessen; das leichtere Talent Franz von Gaudys fand hier eine Stätte (vgl. oben S. 322). Als
st Ausgabe LrauNschweig M42, S. 23. st Vgl. die 2. Aust., Leipzig 1832, 5. 6A4/5.
st vgl. I. ls. Houben, Iuilgdeutscher Sturm und Oraug, MN, 5. M-sts.
st Aus der Knabenzeit, M 52 , § ms.
st Oie Auust der deutschen Prosa, S. 244 .
Brandenburgische Landeskunde. ^Äd. IV.