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Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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gütiger wie auch in kalter, gleichmütiger weise. Duldsamkeit und Unbeugsamkeit sind ihm in der letzten Zeit des Lebens und Schaffens eigentümlich gewesen; er war kein Kämpfer, weder als Persönlichkeit und Einzelwesen, noch als Former und Gestalter. Zn jedem Menschen das Menschliche aufzuzeigen: das war sein Sinn, Wesen und Wille; daraus sind die eben erwähnten, sich ja fast gegenseitig ausschließenden Eigenschaften zu erklären. DerMann der märkischen Gedichte, der märkischen Geschichte, des alten Fritzen, der Zagow und Lochow" fand in seinem letzten Buche, imStechlin", als letztes Bekenntnis, das alle Mängel und Zwiespältigkeiten aufhebt und wegwischt, das stolz­bescheidene Wort der eigenen Eharakteristik:Aus Begeisterung und Liebs fließt alles."

Das Wesen brandenburgischer Art suchte mit anderen Mitteln und von anderen inneren und äußeren Voraussetzungen der eigenen Persönlichkeit aus der Hohenzollern- enkel Ernst von Wilde nbruch zu erfassen und zu gestalten ; er gehörte dem Auswärtigen Amte als junger Beamter an und rang so heiß und unermüdlich um die dramatische! Wirkung wie der einstige Bibliothekar des neuen Reichstages, der unselige Albert Lindner (l83ß8l). Während dieser aber in Berlin vergeblich um einen nachhaltigen Erfolg stritt und schließlich trotz großer Pläne und Stoffe, trotz gelungener Einzelheiten an Trieben und Mächten des eigenen Temperamentes zugrunde ging, kamen für Wilden­bruch nach langen Zähren des Harrens und Zweifelns Widerhall und Gewißheit des Sieges. Bei Elise von Rüdiger, geborene von Hohenhausen, der Tochter jener Elise von Hohenhausen, bei der einst Heine in Berlin die erste Aufnahme gefunden hatte, tat der scheue Assessor die ersten Schritte in eine noch beschränkte Öffentlichkeit: vielleicht las er dort die Penthesilea seines Kleist so vor, wie es der junge Beamte im Salon des Fräulein Annette Beyer in seiner eigenen RomanschöpfungLukrezia" tut! Die Hof­bühnen von Meiningen und Weimar und die Aufführungen derKarolinger" im Ber­liner Viktoriatheater lGktober 188!) haben dann manche Vorurteile und Widerstände besiegen helfen, bis Wildenbruch mit der quellenden Macht seines Temperamentes und mit seinen geschichtlichen Helden die Bühne eroberte bis zu den brandenburgischen Stücken Väter und Söhne" H88H,Die Tuitzows" H888)h,Der neue Herr" (l8stl) und darüber hinaus bis zur Doppeltragödie vonHeinrich IV." und all den folgenden Dramen, wo er die Weite historischen Geschehens im vollen Amfange zu gestalten ver­suchte. Er war eine ganz theatralisch orientierte Begabung mit dem eingeborenen Feuer eines dramatisch, d. h. alles in Gegensätzen sehenden Temperamentes; er hat seine Zeit

I Stoffgeschichtlich mochte ich hier noch außer auf das bekannte Stück von Toms Schneider Hinweisen auf das historische Drama von Herm. Böhnke, Zollern und Ouitzows, Oldenburg (875, aus das Stück von Bruno Garlep, Dietrich v. Guitzow, das im April (88H im Berliner Louisentheater aufgeführt wurde (drei Jahre vor dem Erscheinen des Mldenbruchschen Stückes), auf die sich an Wildenbruch unmittelbar anschließende Parodie im Berliner Eldorado­theater (( 889 ): Die Euitzows oder Der Dieterich, der Dieterich, was war das für ein Wüterich, Berlinisches Trauerspiel mit Gesang und Tanz von E. v. Iahmenbruch, und als Beispiel einer geradezu sklavischen Wildenbruch-Nachahmung im Gebiete des ernsten Schauspieles aus Max Messners Joachim von Brandenburg, das in theatralischer Geschicklichkeit allerlei Hergebrachtes 'behandelt, ohne auch nur eine Spur eigner Auffassung oder Gestaltung auszuweisen; das Stück ist im Anfänge der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts am Belle-Alliance-Theater zu Berlin gegeben worden.