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Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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und die fugend von damals mitgerissen durch denDrang zur Größe", durch seineun­bekümmerte Aussprache des Gefühls", und so schritt er einige Zeit mit der Bewegung, die fast zur selben Zeit einsetzte, als sich seine Dramen endlich das Schauspielhaus am Ber­liner Gendarmenmarkte erobert hatten.

Wieder waren es beinahe ausschließlich Nichtberliner, die als die Zungen mit dem Alten aufräumen wollten. Was sie wünschten und erstrebten, das hat einer der am frühesten Verstorbenen, der Märker Paul Fritsche (s86388), ohne große Hoffnung für die eigene Generation folgendermaßen ausgedrückt:

Wir sind die Söhne der zerrissenen Zeit,

Mit Menschen und Gott, mit uns selber entzweit,

Wir sind nicht von jenen, die mit heil'gem Singen Ihrem Volke Frieden und Liebe bringen.

Wir sind von jenen, die wenig auferbauen . ..

Wir sind erst vom Tage das Morgengrauen.

Unsre Lieder, sie gleichen noch Rutenhieben,

Man wird sie fürchten, man kann sie nicht lieben I Nach uns wird kommen der Dichterxrophet,

In seinen Liedern Heilandsodem weht,

Aus seiner Harfe rauschen himmlische Töne,

Da schweigt auf Erden der Not Gestöhnei In der Menschheit Bosen wogt der Schall,

Bringt der Sünden unzählbares Heer zu Fall.

Ls reinigt die Seelen von irdischer Bürde,

Befreit den Menschen zur Menschenwürde.

Gs war die Zeit von Bismarcks großer, neuer Innenpolitik wirtschaftlich-sozialen Gepräges; der Gründer des Reiches erfüllte seine Schöpfung, die er gewaltig und kraft­voll gleichsam zusammenfaßte, mit einem ungeheueren, derberen Inhalte; er erfüllte aber zugleich die Nation mit der stärksten, sittlich-materiellen, nationalen Arbeit. Das Sozia­listengesetz trat in Araft, die kaiserliche Botschaft über die Versicherung und den Schutz der Lohnarbeiter folgte, der Liberalismus wich zurück, an die Stelle des Freihandels trat die Schutzzollpolitik: das alles aber spielte sich auf dem Untergründe eines immer stärker aufgerührten Volkslebens ab, einer sozialen Bewegung, die nicht mehr zu hemmen war. Der Darstellung dieses neuartigen Lebens konnte die Literatur des Tages und Marktes nicht genügen; aus dem Gefühl dieses Mangels heraus erhob zunächst und in erster Linie das jüngere Geschlecht seine Forderung nach Wahrheit und Natur. In Berlin als dem immer mehr wachsenden und anerkannten Zentrum erscholl solcher Ruf am lautesten, und die Alten stellen sich sehr verschieden zu der herandrängenden Schar?) Die West-

H Charakteristisch dafür ist jenes Wort Fanny Lewalds zu Karl Frenzel gelegentlich der Darstellungsart Jolas und der neuen Russen: Warum soll ich mich in die Geschichte von Menschen vertiefen, die in Wirklichkeit nie meine Stube betreten dürften? Karl Frenzel <?827 verdient an dieser Stelle ein kurzes Wort. Der Urberliner, dessen Wiege in einem der engen Gäßchen zwischen Spittelmarkt und Hausvogteiplatz gestanden hatte und der, abgesehen von längeren Reisen, alle 8S Jahre seines Lebens in der Vaterstadt verbrachte, war bei Gutzkow in die Schule gegangen, dessen beide große Romane den schöpferischen Nacheiserungstrieb des jungen Mannes