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Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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falen Julius und Heinrich Hart gründeten eine Reihe rasch vorübergehender Zeitschriften, dieKritischen Waffengänge" und dieBerliner Monatshefte", und sammelten um sich einen Kreis junger Talente zunächst in der Zeit zwischen » 883 und »885; zwei Jahre später bildete sich der schon kurz erwähnte Verein Durch, in welchem die Mitglieder ver­suchten, zunächst mal theoretisch zur Klarheit über ihre Ziele zu kommen: Bruno Wille hat darüber Aufzeichnungen bewahrt, die die Redlichkeit und den Gang solcher Debatten erkennen lassen. So hat man z. B. die Begriffe Naturalismus und Idealismus folgender­maßen definiert: ». Idealismus ist eine Richtung der künstlerischen Phantasie, welche die Natur nicht, wie sie ist, darstellt, sondern wie sie irgendeinem Ideale gemäß sein sollte; 2. Naturalismus ist diejenige Geschmacksrichtung, welche die Natur darstellen will, wie sie ist, dabei aber in tendenziöse Färbung verfällt und mit Vorliebe das auswählt, was nicht so ist, wie es sein sollte, also das ästhetisch oder moralisch Beleidigende; 3. Realismus ist diejenige Geschmacksrichtung, welche die Natur darstellen will, wie sie ist, dabei aber nicht in Übertreibung verfällt.

Diese ganze Bewegung war auf der einen Seite sehr stark sozial schon »884» schrieb in diesem Kreise Karl Henkell Arbeiterlyrik:

Heut' Hab' ich Armer Noch nichts gegessen,

Der Allerbarmer Hat nichts gesandt.

Vom gold'nen Weine Hab' ich geträumt Und klopfe Steine Fürs Vaterland;

sie war aber zu einem anderen, wenn auch kleineren Teile durchaus national und fand einen Ausdruck in den modernen Dichtercharakteren der Gebrüder Hart, wo dann auch die Stadt Berlin eine neue lyrische Gestaltung erhielt und Verse geprägt wurden, die die ganze Weite des Weges, ermessen ließen, der in jeder Beziehung des geistigen wie seelischen Lebens und des technischen wie dichterischen Könnens seit den Tagen des »8. Jahr­hunderts gerade hierin zurückgelegt worden waren. <Ls geht wahrhaftig aus anderem Ton und anderer Zeit, wenn Julius HartAuf der Fahrt nach Berlin" sang:

Oie Fenster aufl Dort drüben liegt BerlinI

Dampf wallt empor und Vualm, in schwarzen Schleiern

weckten; brodelten aber in Gutzkows unkritischer Schöpferseele abgestandene Romantik und un­fertiger Realismus noch verworren durcheinander, so wußte mit jener derBerliner Nicolait" Frenzel nichts mehr anzufangen. Desto mehr reizte es ihn, den Realismus, dem im Zeitalter Bismarcks und der Naturwissenschaften die nächste Zukunft gehören mußte, mit seinem feinen Geiste künstlerischer durchzubilden, als es Gutzkow vermocht hatte. In solcher Forderung nach einem modernen Realismus setzte er sich an kritisch weithin sichtbarer und wirksamer Stelle im Feuilleton der Nationalzeitung in den beiden Jahrzehnten nach des Reiches Gründung für ein neudeutsches Gesellschaftsdrama ein, das aber nur eine Nachahmung des Pariser Salonstückes schon deswegen sein mußte, weil es in dem hierfür nötigen Sinne noch gar keine Gesellschaft gab; die Forderungen und Errungenschaften des Naturalismus hat Frenzel bis zuletzt glatt und kalt abgelehnt.