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Hängt tief und steif die Wolke drüber hin,
Die bleiche Luft drückt schwer und liegt wie bleiern . . .
Lin Flammenherd darunter — ein Vulkan, von Millionen Feuerbränden lodernd, .. .
Lin Paradies, ein süßes Kanaan, —
Lin Höllenreich und Schatten bleich vermodernd.
Zum typischen Ausdrucke Berliner literarischer Zustände aber wurden alle diese Versuche nicht ; auch hier machte sich der Lrfahrungssatz geltend, daß das Theater mit seinen starken Lockungen jeden Hunger nach Taten und jeden Ehrgeiz wachrust, und daß es das liebste Arbeitsfeld ist für alle diejenigen, die auf künstlerischem Erbiete etwas Neues zu sagen haben oder meinen. Auch hier ist noch einmal kurz zurückzugreifen und darauf hinzuweisen, daß überhaupt in literarischer Beziehung die Jahre der Reichsgründung von entscheidender und einschneidender Bedeutung sind: s87f erschienen Nietzsches Erstlings- schrist und M. Ludwigs Shakespearestudien, im Jahr vorher „Der Pfarrer von Kirch- feld" und wiederum im Jahre l.871, „Der Asteineidbauer", aber auch „Die Bluthochzeit" und „Die Leute von Seldwyla". Lindaus Nachahmung der Franzosen konnte, wie oben gezeigt, nur ein sogenanntes Gesellschaftsstück schaffen; Wildenbruch mit seinen an sich deutschen Dramen vermochte im letzten Grunde doch kein geistiger Führer sein, weil ihm die geistigen Ideen seiner Gegenwart, denen die Zukunft gehörte, fremd blieben; Sudermann beleuchtete mit den Astitteln des Theaters gewisse Nebenerscheinungen der sozialen Fragen, ohne aber in ihren Kern vorzudringen, und der jüngstdeutsche Sturm und Drang forderte in der Art einer Anklageliteratur eine Umwertung aller Werte, für die Nietzsche schließlich doch nur die formelhafte Prägung gefunden hat. In den Dingen der praktischen Bühne wiederholte sich die Tatsache, daß die englischen Komödianten es waren, welche in Deutschland einen Umschwung vorbereiteten: der meiningische Naturalismus der Echtheit ging auf Bestrebungen zurück, welche jenseits des Kanals zur Tat geworden waren. Die Belebung der Klassiker aus dem Geiste des Requisites heraus war das Eharakteristikum dieser Bewegung; ihre Grundgedanken haben sich dann mit den Forderungen der neuen Richtung der dramatischen Dichtkunst eng berührt. Durch die Begründung der Freien Bühne kam weiten Schichten der gebildeten Bevölkerung dieses Neue erst recht eigentlich zum Bewußtsein; was die Harts als Dichter oder in der Neuen Genreinschaft als religiöse Führer nicht vermochten, gelang ihnen nun im Vereine mit Otto Brahm und Paul Schlenther: eine Stätte zu finden, von der aus sie nachhaltig und richtungweisend wirken konnten. Im Berliner Residenztheater waren Ibsens „Gespenster" am st. Januar 1,887 zu wohltätigem Zweck und in Ibsens Anwesenheit zum ersten Astale in deutscher Sprache gespielt worden /) dagegen verhielt sich das Deutsche Theater unter L'Arronge diesem Neuerer gegenüber völlig ablehnend. Am 5. April I 889 wurden dann die Satzungen der Freien Bühne vollzogen und damit diese Vereinigung ins Leben ge-
H Die Besetzung der Rollen war fotzende: Lharlotte Frohn-Anno —Frau Alving; Franz Wallner—Oswald; Lmanuel Reicher—Pastor Mauders; Ernst Würzburg —Lngstrand; Helene Schüler—Regine. — Zum überhaupt ersten Male auf deutschem Boden, allerdings noch in dänischer Sprache, scheinen die Gespenster am 22. und 26. Oktober tE durch eine dänische Schausxieigesellschaft in Sagebiels Etablissement in Hamburg gespielt worden zu sein; ob die