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Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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Geschlechts behandelt; selten nur geriet dabei aber eine Dichtung, die den Rahmen weiter spannte und sich bemühte, die wichtigsten dertreibenden Kräfte am Werke", die künst­lerisch geschauten und geformten Einzelbilder und Sondertypen wieder zusammenzufassen. Dahin gehört z. B. Felix HolländersWeg des Thomas Truck" flstoch, der alles, was die Jugend jener Jahre um 18st0 bewegte, vom Sozialismus bis zu Egidys Lehren um nur einiges zu nennen noch einmal in bunter Lebensfülle vorführte. Ein Stück sozialen Berliner Lebens gab Klara Viebig m ihrer stärksten Leistung, in dem Dienst­botenromanDas tägliche Brot" (sstOO) und versuchte in dem Tempelhofer RomanDie vor den Toren" hstfO) die verzwickten Verhältnisse darzustellen, die die Umwandlung eines alten Dorfes in einen Großstadtvorort zur Folge hat.

Von den leichteren Talenten, die sich in immer größere Anzahl, mit gar ver­schiedenem Können und in mannigfachen Absichten um einen Unterhaltungsroman ber­linisch-märkischen Tharakters mühten, kann ich hier nur einige mehr oder weniger typische Vertreter herausheben. Da war die Berliner Boheme, dies gezüchtete, nicht eingeborene Produkt der Verhältnisse, ein beliebtes Thema, das zunächst in Ernst v. Wolzogens Lumpengesindel" in scharfer Beobachtung, mit beträchtlicher Wirklichkeitstreue auf die Bühne gestellt worden war, dann aber in desselben AutorsKühler Blonden" sichst h oder in I. R. zur Megede fl864 chst06)Unter Zigeunern" sichst?) eine epische Aus­prägung erfuhr; A. v. Roberts, Rudolf Stratz, Wilhelm Meyer-Förster gaben Schilde­rungen und Ausschnitte aus dem Leben der allgemeinen Gesellschaft, des Heeres oder des Sportes; die Brüder Zobeltitz ließen bei gleichem Bemühen manchmal eine leise humoristische Note durchklingen: der jüngere, Hanns von Zobeltitz, hat in dem Buche Aus märkischer Erde" hstsO) die Werdejahre des neuen Berlin nach >866 mit scharfer Betonung des landschaftlichen Momentes, aller der Elemente, die die werdende Riesen­stadt eben an die Provinz Brandenburg knüpfen, geschildert. Spezifisch literarische Ab­wandlungen und Bilder gaben, mit der persönlichen Note der Verbitterung oder der Karikatur, Karl Bleibtreu und Rudolf jDresber inGeist" slst06) und in derBunten Kuh" sfstll), und es ist für die Vormachtstellung Berlins gerade auf diesem Gebiete charakteristisch und ausschlaggebend, daß die großen Familienblätter und illustrierten Monatsschriften nach und nach alle nach Berlin übersiedeln:Daheim" wieGarten­laube", die Monatshefte von Velhagen oder Westermann, aber ebenso auch dieGrenz­boten" oderNord und Süd".

Der Volks- und Blutmischung der Stadt entsprechend, ist hier noch ein Zug hervor­zuheben. Dasjüdische Selbstporträt" gewinnt im Romane allmählich eine markante Bedeutung. Schon in Sudermanns Berliner TheaterstückSodoms Ende" war es in dramatischer Form angedeutet worden, Georg Hirschfeld hatte mit den Mitteln des Bühnennaturalismus der hier entscheidenden Zahre den jüdischen Mittelstand aus dem Osten Berlins inDie Mütter" H8H6) und inAgnes Jordan" sl8st8) geschildert; in Geor g Hermanns vielgelesenerZettchen Gebert" Hst06) wurde das Milieu des alten Berlin zwischen den Freiheitskriegen und den Märztagen mit liebevoller Belebung im Detail aufgezeigt und scharf der Zwiespalt hervorgehoben zwischen deneingedeutschten" jüdischen Familien und dem kulturlosen Nachschub aus dem Osten. Auch Adele Gerhard hat in derFamilie Vanderhouten" s l stOst) die Probleme der Großstadt scharf erfaßt und