Es gibt in der Kunde unserer Heimat nur wenige Fächer, die eine so einseitige Bevorzugung der Hauptstadt verlangen, wie die Geschichte des musikalischen Lebens. Für den, der es unternimmt, sie zu erforschen und darzustellen, ist das ein fühlbarer Zwang, der das Ergebnis beeinflussen muß. Denn, so wahr es ist, daß die kleinen Städte und das platte Land Brandenburgs dem Musikhistoriker nur wenig eigentliche Anziehungspunkte bieten, so wahr ist es doch, daß schließlich das stille, anspruchslose Wirken eines namenlosen Kantors oder Organisten irgendwo in der Provinz kulturell bedeutsamer sein mag, als das Auftreten eines weltberühmten Virtuosen in der Residenz, und daß eine gern und gut singende Kirchengemeinde draußen im Lande ein großstädtisches Konzertpublikum aufwiegen kann. Von einer Geschichtschreibung aber, die in der Lage wäre, ein Bild von der Entwicklung und Ausbreitung der musikalischen Kultur in der Mark zu zeichnen, sind wir heute noch weit entfernt. Die Lokalhistoriker trifft mit wenigen Ausnahmen der Vorwurf, daß sie achtlos an dem fast überall noch vorhandenen musikgeschichtlichen Material vorübergehen und damit eine der wichtigsten Seiten des Geisteslebens vernachlässigen. Solange die Lokalforschung nicht mithilft, wird die märkische Musikgeschichte zu Unrecht eine überwiegend Berliner Musikgeschichte bleiben.
I. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts.
Eine eigentliche, kulturell bedeutsame Musikpflege setzt in der Mark erst verhältnismäßig spät ein?) !Vohl gehen Spuren bis ins >2. Jahrhundert zurück; allein über die liturgischen Gesänge der Geistlichkeit mit ihren Ehorschülern, über die Tanzmusik fahrender Spielleute, die Fanfaren der Hoftrompeter und die hornrufe der „Hausmänner", wie man in der Mark die Türmer nannte, kommt das musikalische Leben Brandenburgs im Ulittel alter nicht hinaus. Erst im >6. Jahrhundert kann von einem geschichtlich wertvollen musikalischen Wesen die Rede sein. Dieser Aufschwung ist nicht dem gesteigerten Kulturbedürfnis, nicht der höheren Bildung des Bürgers zu danken, sondern der Kunstliebe und Religiosität des Kurfürsten Joachims II., hektor. Von seiner Mutter streng kirchlich erzogen, ausgewachsen unter dem starken Einfluß seines Oheims Albrecht, des Kardinalerzbischofs von Mainz, machte er sich die Verschönerung des Gottesdienstes und besonders des Kirchengesanges zur Lieblingsaufgabe. Zugleich mit der Überführung des Domstifts in das ehemalige Dominikanerkloster auf dem Schloßplatz verstärkte er nach dem Vorbild des Erzstifts zu Halle, das damals unter der Leitung
Vgl. für diesen Abschnitt <L. Lachs, Musikgeschichte der Stadt Berlin bis zum Jahre l 80 v. Berlin 1908. — L. Sachs, Musik und Dper am Aurbrandenburgischen kos. Berlin t9w.
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