Vorbemerkung.
Eine Landeskunde soll offenbar das für das betreffende Gebiet Charakteristische und Eigentümliche von allen Seiten derart beleuchten, daß ein territoriales Individuum klar zu erkennen ist. Am wenigsten Anteil an einer solchen Individualität hat in unserem Falle gerade das hier behandelte geistige Leben. Die Mark Brandenburg ist nur verhältnismäßig kurze Zeit vereinzelt und selbständig geblieben, ihre Verbindung mit dem Gesamtstaat Preußen und weiter mit dem alten und neuen Deutschland mußte alle Eigenart verwischen. Zudem liegt es im Wesen des geistigen Lebens überhaupt, daß es über die engen Grenzen seiner Geburt hinausstrebt und tausendfältigen Einflüssen seine Tore öffnet. Die Wissenschaft im besonderen ist immer international gewesen, um so mehr war sie stets ges amtdeuts ch. Es hat kaum jemals eine sächsische, schwäbische, brandenburgische Wissenschaft gegeben. Aber diese Wissenschaft ist doch auch wieder gebunden an äußere Veranstaltungen, an kirchliche und staatliche Institute, und dadurch nimmt sie in gewissem Sinne auch den Charakter des sie umschließenden Staatswesens an. Jedem Staatswesen kann man somit auch ein besonderes Bildungswesen und zum Teil selbst eine besondere Wissenschaft zugestehen.
Indes die Mark Brandenburg ist längst kein Staat mehr für sich, und so hat sie auch in dieser Hinsicht nur noch Reste einer Selbständigkeit als Provinz aufzuweisen.
Für die Darstellung des Bildungswesens der Mark Brandenburg innerhalb einer allgemeinen „Landeskunde" -er Provinz mußte es sich unter den dargelegten Umständen darum handeln, alle territorialen Besonderheiten, die man zu erkennen vermag, hervorzuheben und sie im Gange der Ereignisse auszuspüren; ferner aber auch dem Gesamtstaate in seinem Geistesleben so viel Beachtung zu schenken, als davon das provinzielle lind das des hauptstädtischen Brennpunktes in sich verkörpert.
Wer diese Aufgabe überschaut, wird zugestehen, daß sie große Schwierigkeiten bietet, und daß sie erklärlicherweise noch niemals in Angriff genommen worden ist. Der hier vorliegende Versuch der Art bedarf demnach ganz besonders der Nachsicht einer sachverständigen Leserwelt.
Erste Periode.
Vorreformatorische Zeit.
Mit dem Beginne der großartigen Kolonisationstätigkeit der Deutschen im Gsten ihres Reiches (seit dem t s. Jahrhundert) wurde zunächst das Landgebist, welches die jetzige Mark Brandenburg umfaßt, ihr Besitz. In hartnäckigen, blutigen und grausam geführten Kämpfen verdrängten allmählich die Deutschen ihre östlichen Nachbarn oder