Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
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nahmen diese schließlich fast restlos in sich auf. Aber diese Germanisierung war nicht zugleich eine Kultivierung. Denn man kann kaum sagen, daß die niederdeutschen Eroberer einen höheren Stand der Gesittung schon erreicht hatten als die überwundenen Slawen. Jene standen an Primitivität der Kenntnisse und Fertigkeiten und an Tiefstand der ethischen Anschauungen diesen gewiß nicht nach, wie die erste Zeit der Kolonisations­kriege ziemlich deutlich macht. Was die erobemden Sachsenstämms vor den Slawen zu jenen Zeiten voraus hatten und ihnen das Übergewicht gab, war einesteils vielleicht die größere, rohe körperliche Kraft, anderenteils der Zusammenhang mit kulturell höher stehenden Bolksverwandten und Reichsgenossen, mit den Franken und Alemannen im westlichen und südlichen Deutschland und dem alten Kulturland der römischen Drovincüa Osrmanloa. Und ein solcher geistiger Zusammenhang ist für die Mark Brandenburg, wie wir sehen werden, im Laufe der Entwicklung noch des öfteren von Einfluß gewesen, bevor sie sich zu einem eigenartigen und teilweise selbständigen Kulturgebiete innerhalb des deutschen Lebens emporgeschwungen hatte.

Im Westen des Deutschen Reiches war schon zu Anfang dieser Kolonisations­kriege längst die christliche Religion herrschend geworden, deren Kirche mit großer Propagandakraft die tiefsten kulturellen Tendenzen verknüpfte.

Als der gewaltige Askanier, Markgraf Albrecht der Bär, in der Mitte des 12. Jahrhunderts die Grenzgebiete des Deutschen Reiches erweiterte und sie mit streit- bewährten Kolonisten aus den Territorien der Sachsen und aus den Niederlanden be­setzte, da zogen sich die angesessenen Slawen, dem Stärkeren weichend, in die Sümpfe und dichten Wälder der Havelniederungen zurück. Die Flucht des Besiegten war aber nicht der Erfolg, den die Streiter unter dem Kreuzesbanner erwünschten: Sie wollten völlige Unterwerfung unter weltliche und kirchliche Herrschaft; das religiöse Interesse war mit dem politischen untrennbar verbunden.

Schon im IO. Jahrhundert war das Bistum Havelberg (946) gegründet worden, bald darauf auch das Bistum Brandenburg, die dann beide zusammen mit noch anderen Bistümern dem Erzbistum Magdeburg unterstellt wurden (968). Die wackeren streitbaren Bauern allein konnten jedoch die Kolonisierung der neugewonnenen Gebiete in dem gewünschten Sinne nicht durchführen, und so wurden die geistigen Pioniere des damaligen Christen­tums, Mönche, ins Land gerufen. Zuerst war es der prämonstratenserorden, der christliche Mittelpunkte in den neuen Gebieten schuf, vor allem Kloster Ierichow in der Altmark. Bald aber treten an seine Stelle mit weit größerem Erfolg und nachhaltigerer Kraft die Zisterzienser, welche kaum ein halbes Jahrhundert vorher in Frankreich als Orden ge­stiftet, erst vierzig Jahre vorher in Deutschland ihre ersten Niederlassungen begründet hatten?) Walkenried im Harz war das erste Zisterzienserkloster im Sachsenlande, ge­gründet 1229 , und wurde die Stammutter der meisten mönchischen Niederlassungen in den Gebieten der Mark. Dem mit Albrecht dem Bären verbündeten Erzbischof Wich- mann von Magdeburg ist die Einführung der Zisterzienser in das Herz des Kolonisations­gebietes zu danken. Innerhalb der späteren Mark Brandenburg erhebt sich 1170, als eine Stiftung des Erzbischofs selbst, Kloster Zinna bei Jüterbog, 1180, vom Markgrafen Otto I. gegründet, Lehnin, südlich der Stadt Brandenburg, bald darauf Arendsee in

9 Fr. Winter, Die Listercienser des nordöstlichen Deutschlands .. . Gotha Z8S8.