Part 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Place and Date of Creation
Page
489
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image

§89

immer weiteren Kreisen zu predigen. In den Gelehrtenkämpfen für und gegen Fichte in der Hauptstadt bekundete sichder Eintritt eines neuen Bildungszeitalters, und selten hat sich der Einfluß einer Philosophie auf das wirkliche Leben in stärkerem und zugleich er­hebenderem Maße gezeigt, als in der Einwirkung des Fichteschen Idealismus auf den Gesamthabitus des preußischen Staates", vor allem aber seiner Hauptstadt. DieAuf­klärung" siegte noch gegen Fichte, hatte aber dennoch schon abgewirtschaftet?) Schon das folgende Jahr brachte mit dem Zusammenbruch des preußischen Staates den Sieg der neuen Denkweise, für die Fichte als Sprachrohr diente, wenn sie auch aus den Schultern der rationalistischen Aufklärung ruhte. Und die ereignisreiche Zeit von Preußens Zer­trümmerung bis zur Erhebung und Rehabilitierung des Staates ist für das Bildungs­wesen der Provinz wie des Gesamtstaates von ganz besonderem entwicklungsgeschicht­lichen Einfluß geworden.

Die Mark Brandenburg mit ihrer geistig führenden Hauptstadt hat auch in diesen Zeiten im Mittelpunkte des Lebens gestanden. Me von Altpreußen, von Königsberg her, die Medergeburt des Staates anhob, so hatte schon vorher in stillerem Mrken in Berlin diegeistige Medergeburt des Volkes ihren Anfang genommen. Und es bleibt ein ewiger Ruhm der preußischen Nation, daß sie inmitten der Knechtschaft, der tiefsten Demütigung und Ohnmacht den Glauben an ihre Kraft nicht verloren hat, und ebenso der preußischen Regierungsmänner von damals, daß sie mit hoffnungsvoller Energie an der Wiederaufrichtung des Volkes gearbeitet haben. Der König Friedrich Wilhelm III. selbst hat diesem Streben den unsterblichen Ausdruck durch jenes Wort gegeben, das ihm allerdings streitig gemacht wird:Der Staat muß durch geistige Kräfte ersetzen, was er an physischen verloren hat." Im Zusammenwirken von Volk, Regierung und König ist dann Großes geleistet worden.

Die deutsche Wissenschaft im ganzen hatte sich jetzt bereits eine derartige Stellung in der Welt erobert, daß niemand mehr daran denken konnte, sie in einer Berliner Körper­schaft als Aschenbrödel zu behandeln. Zunächst gab Alexander von Humboldt den naturwissenschaftlichen Forschungen ein Übergewicht; der Physiker Erman, ein Huge­nottenabkömmling zu Berlin, und der größte Geologe der Zeit, von Buch, ein Ucker­märker, wurden 1806 den Akademikern beigesellt, aber auch der Altertumsforscher Butt­mann aus Frankfurt a. M. Unter den auswärtigen Mitgliedern ragen hervor Männer wie Goethe, Zoöga, Euvier.

Auch die preußischen Universitäten machten in den Kriegszeiten schwere Erfah­rungen durch. Das ruhige und unbedeutende Frankfurt a. d. Oder blieb im allgemeinen unbehelligt, aber Halle wurde vom Feinde besetzt und seine Universität aufgehoben. Von dortigen Professoren rührte der natürliche Wunsch her, dafür jetzt in Berlin selbst eine gleiche Anstalt zu errichten; vor allem war es Friedrich August Wolf, dem die ersten Anregungen in diesem Sinne zu danken sind.

Der Geheime Kabinettsrat Beyme in Berlin nahm diesen ihm sehr sympathischen Gedanken mit Energie auf, und ihm zur Seite standen bald die bedeutendsten Männer des damaligen Berlin: die beiden Humboldt, hufeland, Fichte und andere. Karl Friedrich Beyme war ein Kind der Neumark. Geboren in Königsberg H762), hatte er märkische

9 2. M. Lenz, Gesch. d. Kgl. Friedrich-lVilhelm-Universität zu Berlin. -4 Bbe. Halle r 9 lv.