meinden erwachsen, in deren Schoße mit der Zeit große Gelehrte eine segensreiche Wirksamkeit entfaltet hätten — da raste mit elementarer Wucht der Würgeengel einer schrecklichen Epidemie von Frankreich aus durch Europa: der Schwarze Tod (1348).
Niemand konnte sich das große Sterben erklären, das 25 Millionen Menschen dahinraffte. Die Geistlichkeit deutete die Seuche als eine Strafe des Himmels und forderte die sündige Menschheit zur Buße auf. Geißelbrüder durchzogen das Deutsche Reich und schlugen sich blutig, um jede Verlockung zur Sünde im Körper abzutöten. Ein bis dahin nicht gekannter Fanatismus wurde wach, der in dem mittelalterlichen Aberglauben einen guten Nährboden fand.
Mit wachsendem Erstaunen nahm die Umwelt ein gewisses Verschontbleiben der Juden von jener furchtbaren Epidemie wahr. Daß die jüdischen Reinheitsgesetze täglich mehrmaliges Waschen, Mäßigkeit, Keuschheit sowie Ablehnung aller nicht ganz einwandfreien Genußmittel vorschrieben und daher die thoratreuen Juden den Gefahren einer Ansteckung weniger aussetzten, das konnte sie nicht wissen!
In Berlin brachte der Schwarze Tod die Bevölkerung gegen die Juden, denen sie das Unglück zur Last legte, dermaßen auf, daß sie den Jüdenhof in Brand zu stecken versuchten und die Juden vertrieben. Ludwig II. (der Römer) schenkte einem Geistlichen die Synagoge und die Judenbuden. Doch nahm er bereits 1354 wieder sechs Juden als „des Markgrafen Kammerknechte“ in Berlin-Kölln auf. Langsam stieg die jüdische Einwohnerzahl bald wieder an. Das erhellt aus der Tatsache, daß die Markgrafen Ludwig und Otto sie an die Städte Berlin und Kölln verpfänden konnten: geringe Steuerkraft hätte dazu nicht gelohnt. Die folgenden Jahrzehnte sind ein Auf und Ab von Vertreibung und Wiederaufnahme.