Vierzehntes Kapitel.
Moses Mendelssohn.
An einem Septembertage des Jahres 1743 entsteigt der soeben eingetroffenen „Postchaise“ am Prenzlauer Tor zu Berlin ein bleicher, verwachsener jüdischer Junge. Auf dem Geleitzettel — Leibzoll! — war zu lesen: „Ein Jude, 14 Jahre alt, aus Dessau“.
Der Torschreiber versteht ihn nicht, denn der Knabe stottert. Er ruft seinen jüdischen Kollegen.*) Der herrscht den Moses an:
„Was willst du hier?“
„Lernen.“
„Lernen —? Auf dem Gymnasio nehmen sie dich nicht auf —.“
„— bei Rabbi Fränkel."
Der Torschreiber horcht auf: Fränkel —? Das ist ja der neue Rabbiner.
„Kennst du ihn?“
„Mein Vater ist Sofer*) in Dessau. Bei Rabbi Fränkel lernte ich Talmud. Als er nach Berlin gewählt wurde, wollte ich durchaus mitfahren. Er sagte aber: „Komm später nach!“
„Und da willst du beim Rebben weiterlernen?"
„Ja.“
*) Dies Gespräch ist nur dem Inhalt nach authentisch. „Sofer“ = Thorarollenschreiber.
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