sehen Geschäftsmann, der ihm hier zunächst als Schachpartner entgegentrat. Nach halbjähriger Bekanntschaft schreibt Lessing: „Ich habe einen zweiten Spinoza gefunden
— Herr Moses wird dereinst die Ehre seines Volkes sein“.
Da Lessing Mendelssohns klares, treffendes Urteil
schätzen lernte, überreichte er ihm einmal eine ihm zugesandte philosophische Abhandlung zur Beurteilung. Bei der Rückgabe äußerte Mendelssohn schüchtern: „Das kann ich
— vielleicht — auch.“ Lessing (scherzhaft): „Wirklich?“ Kurz danach übergab ihm Mendelssohn ein Manuskript aus eigener Feder. Woche für Woche vergeht — Lessing erwähnt das Werk mit keiner Silbe. Bei einem Besuch erinnert Moses an die Blätter. Lessing (mit gespielter Gleichgültigkeit): „Ach so, ja, ich erinnere mich. Nehmen Sie dort das kleine Bändchen —“. Ein gedrucktes Buch. Es war der erste Band von Mendelssohns „Philosophischen Gesprächen“. Lessing hatte sie heimlich drucken lassen!
Das Eis war gebrochen: Mendelssohn hatte seine Scheu vor der Öffentlickeit überwunden. Der Buchhändler Friedrich Nicolai, der Dritte in dem am Schachbrett geschlossenen Freundschaftsbunde, gewann den Philosophen zum Mitarbeiter an seinen „Briefen, die neueste Literatur betreffend“.
Mendelssohn ward bald ein Meister kristallklarer deutscher Prosa. Angesichts der Bevorzugung ausländischen Wesens ruft Mendelssohn ergrimmt aus: „Werden die Deutschen niemals ihren eigenen Wert erkennen? Wollen sie ewig ihr Gold für das Flittergold ihrer Nachbarn vertauschen?“
Schwierige philosophische und ästhetische Probleme wußte er allgemein verständlich mit einer Anmut und Gewandtheit darzustellen, wie sie unter den Gelehrten der Zopfzeit eine Seltenheit war. Diese Fähigkeit, um die ihn
13
193