selbst Kant beneidete, offenbarte das Werk seiner Frühzeit, „Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele“. Nur der Form, d. h. der dialogischen Einkleidung nach, eine Nachahmung von Platos gleichnamigem Werk.
Die frostige Aufklärung hatte auch an die Dogmen der Kirche ihre kritische Sonde gelegt. Entkleidete sie nun auch den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele seines Wahrheitsgehalts, so ist des Menschen irdischer Lebenswandel gleichgültig: es gibt ja kein Jenseits und keine Vergeltung. Mendelssohn deduziert im „Phädon“: Seele und Leib sind Gottes Werk. Nach dem Tode verwandelt sich der Leib in andere Elemente; also kann auch die Seele nicht untergehen. Gott hat dem Menschen den Glauben an die Unsterblichkeit in die Seele gepflanzt — kann Er, der Gütige und Wahre, sie täuschen? „Wäre unsere Seele sterblich, so wäre Vernunft ein Traum, so wären wir wie das Vieh hingesetzt worden, Futter zu suchen und zu sterben.“ Demgemäß muß jeder Gedanke, den Gott dem Menschen zu seiner Glückseligkeit eingibt, wahr und wesenhaft sein.
So hat der jüdische Philosoph aus den brüchig gewordenen religiösen Vorstellungen der Umwelt den Unsterblich- keitsglauben gerettet und dadurch die an Gott und Welt irre gewordene Menschheit getröstet und aufgerichtet. Sein Name drang in alle Lande. Überall gewann er Verehrer.
In seiner Bescheidenheit war Mendelssohn gegen seine zunehmende Beliebtheit ebenso unempfindlich wie gegen seine gesetzlich verordnete Entwürdigung, wenn er auf einer Reise nach Dresden zwei Silbergroschen Leibzoll entrichten mußte und es in dem Frachtbrief des Postillons hieß: „5 Kälber, 2 Schweine und 1 Jude“.
Es beeindruckte ihn nicht, wenn ihm Besucher aus der Feme schmeichelten: „Ich bin eigentlich nur nach Berlin gekommen, um den gefeierten Berliner Weltweisen zu
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