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Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
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sondern christliche Zeitgenossen.Dank, ruft er in den Literaturbriefen aus,Dank sei jenen getreuen Weltweisen, die mich zur wahren Erkenntnis und Tugend zurückgeführt haben. Euch, Locke und Wolff, Dir, unsterblicher Leibniz, stifte ich ein ewiges Denkmal in meinem Herzen. Eure un­vergänglichen Schriften haben mich auf den sicheren Weg zur wahren Weltweisheit, zur Erkenntnis meiner selbst und meines Ursprungs geleitet. Sie haben die heiligen Wahr­heiten in meine Seele gegraben, auf die sich meine Glück­seligkeit gründet. Sie haben mich erbaut!

Ein leidenschaftliches, eindeutiges Bekenntnis seines jü­dischen Glaubens schleudert dieser Herzensfromme, für seine Person streng-traditionell gerichtete jüdische Welt­weise erst dann in die Welt hinaus, als Lavater, der ihn in Berlin in seinem Kontor besucht hat, eine Schrift des Genfer Professors Kaspar Bonnet,Untersuchungen der Be­weise für das Christentum gegen Ungläubige, ins Deutsche übersetzt, Mendelssohn zueignet und ihn öffentlich auffor­dert, entweder diese angeblichen Beweise zu widerlegen oder das zu tun,was Klugheit, Wahrheitsliebe und Redlichkeit tun heißen, was ein Sokrates getan haben würde, wenn er diese Schrift gelesen und unwiderleglich gefunden hätte, nämlich: Christ zu werden.

Mendelssohn gerät in eine schwierige Lage: Widerlegung der BonnetschenBeweise ist gleichbedeutend mit An­griffen auf die christliche Lehre. In seiner Schüchternheit will er schweigen, um so mehr, als er sich in seinemSend­schreiben ja auch mit dem Judentum auseinandersetzen und dabei mit der herrschenden Orthodoxie abrechnen muß. Lessing steift ihm das Rückgrat:Noch mehr aber bitte ich Sie, wenn Sie darauf antworten, es mit aller möglichen Frei­heit, mit allem nur ersinnlichen Nachdruck zu tun. Sie allein können und dürfen in dieser Sache so sprechen und schrei­ben, und sind daher unendlich glücklicher als andere ehrliche

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