Leute, die den Umsturz eines abscheulichen Gebäudes nicht anders als unter dem Vorwände, es neu zu unterbauen, befördern können.“
Mendelssohn antwortet zart, würdig, betont-jüdisch: „Ich werde es nicht leugnen, daß ich bei meiner Religion menschliche Zusätze und Mißbräuche wahrgenommen, die leider ihren Glanz verdunkeln, wie sie jede Religion im Laufe der Zeiten annimmt. Allein von dem Wesentlichen meiner Religion bin ich so fest und unwiderleglich versichert, daß ich vor Gott bezeuge, daß ich bei meinem Grundsätze bleiben werde." „Die verächtliche Meinung, die man von einem Juden hat, wünschte ich durch Tugend und nicht durch Streitschriften widerlegen zu können.“ „Bleibt mir fort mit eurem Glauben, der in das heiligste Recht der Menschen verletzend eingreift. Ich bleibe bei meinem jüdischen Unglauben, der mir gestattet, bis an die äußerste Grenze der Vernunft zu prüfen und zu denken, bei meiner Freiheit, die zwischen mir und meinem Schöpfer keinen Richter, keinen Vermittler duldet, die mich mit meinem Gott alles allein abmachen läßt und keinem Dritten erlaubt, sich einzumischen.“
Das Christentum betrachte er als einen Irrtum, zu dessen Aufdeckung er sich nicht berufen fühle.
Die Berliner Juden horchten auf. Hier hatte einer der Ihrigen einen christlichen Geistlichen widerlegt, für das Judentum aber eine Lanze gebrochen. Die Umwelt begann, ihre Einstellung gegenüber Juden und Judentum einer gründlichen Nachprüfung zu unterziehen. Lessing wies ihr den Weg hierzu, indem er Mendelssohns Milde und Seelenadel in der Gestalt seines „Nathans des Weisen“ verkörperte — eine eindrucksvolle Predigt religiöser Toleranz!
Mendelssohns edle, hoheitsvolle Persönlichkeit bewies der Umwelt, daß der Jude durchaus nicht dem Zerrbild entsprach, welches Vorurteil und Gehässigkeit von ihm zu ent-