sich nicht aufzuraffen. Huldigte er doch der Ansicht, nur Nichtjuden können eine Emanzipation der Juden bewerkstelligen! Vielleicht schlummerte in ihm — trotz seiner übergroßen Bescheidenheit — die Erwartung, die Berufung auf seine Persönlichkeit werde künftigen Emanzipationsbestrebungen den erforderlichen Rückhalt verleihen.
Es war besser, er schwieg. Hat doch der Hauptgedanke seines philosophischen Systems, das Judentum sei keine „ge- offenbarte“ Religion, sondern nur geoffenbarte Vorschrift (religiöser Gesetze), in den Reihen jüdischer Gottsucher lähmend gewirkt und die innere Festigkeit und Sicherheit in ihrem Glauben gefährdet!
Gewiß, die Symbole und Glaubensformeln der christlichen Kirche waren für ihn unannehmbar. Wenn er aber der Gleichung nicht widersprach: „Reinste Sittenlehre ist Christentum“, so war damit für gedanken- und skrupellose Gemüter der Anreiz gegeben, die christlichen Dogmen — vor allem das Dogma von der persönlichen Göttlichkeit Christi — im Geiste der Zeit rationalistisch als unverbindliche Formen auszudeuten und um der „reinsten Sittenlehre“ willen sich der herrschenden Kirche anzuschließen. Konnte man doch — wie Heine später sagt — in den Berliner Kirchen Christentum ohne Christus, wie in den Garküchen Schildkrötensuppe ohne Schildkröten haben! Noch mehr. Mendelssohn gab zu: „Wir glauben zwar, daß unsere Religion die beste sei. Sie ist die beste für uns und unsere Nachkommen, die beste für gewisse Zeiten und Umstände und unter gewissen Bedingungen.“ Wenn also — deduzierte man — das Judentum nur „unter gewissen Bedingungen“ die beste Religion ist und die „geoffenbarte Gesetzgebung“ nur solange Geltung hätte, als das jüdische Volk sich seiner staatlichen Selbständigkeit erfreute, so stellte — vielleicht — der Anschluß an die Kirche der reinsten Sittenlehre keinen besonderen Treubruch dar.