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Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
Entstehung
Seite
215
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sich nicht aufzuraffen. Huldigte er doch der Ansicht, nur Nichtjuden können eine Emanzipation der Juden bewerk­stelligen! Vielleicht schlummerte in ihm trotz seiner über­großen Bescheidenheit die Erwartung, die Berufung auf seine Persönlichkeit werde künftigen Emanzipationsbestre­bungen den erforderlichen Rückhalt verleihen.

Es war besser, er schwieg. Hat doch der Hauptgedanke seines philosophischen Systems, das Judentum sei keinege- offenbarte Religion, sondern nur geoffenbarte Vorschrift (religiöser Gesetze), in den Reihen jüdischer Gottsucher lähmend gewirkt und die innere Festigkeit und Sicherheit in ihrem Glauben gefährdet!

Gewiß, die Symbole und Glaubensformeln der christ­lichen Kirche waren für ihn unannehmbar. Wenn er aber der Gleichung nicht widersprach:Reinste Sittenlehre ist Christentum, so war damit für gedanken- und skrupellose Gemüter der Anreiz gegeben, die christlichen Dogmen vor allem das Dogma von der persönlichen Göttlichkeit Christi im Geiste der Zeit rationalistisch als unverbind­liche Formen auszudeuten und um derreinsten Sittenlehre willen sich der herrschenden Kirche anzuschließen. Konnte man doch wie Heine später sagt in den Berliner Kirchen Christentum ohne Christus, wie in den Garküchen Schildkrötensuppe ohne Schildkröten haben! Noch mehr. Mendelssohn gab zu:Wir glauben zwar, daß unsere Religion die beste sei. Sie ist die beste für uns und unsere Nach­kommen, die beste für gewisse Zeiten und Umstände und unter gewissen Bedingungen. Wenn also deduzierte man das Judentum nurunter gewissen Bedingungen die beste Religion ist und diegeoffenbarte Gesetzgebung nur solange Geltung hätte, als das jüdische Volk sich seiner staatlichen Selbständigkeit erfreute, so stellte vielleicht der Anschluß an die Kirche der reinsten Sittenlehre keinen besonderen Treubruch dar.