In Mendelssohns Hause — und namentlich zu seinen Lebzeiten — wäre schon das bloße Spielen mit einem solchen Gedanken als eine Ungeheuerlichkeit erschienen. Denn es war ein frommes Haus. Keins seiner Familienmitglieder entweihte den Sabbat. Religion wurde nicht gelehrt und geübt, sondern gelebt. Entzückt waren die nichtjüdischen Gäste von der Weihe, welche die religiösen Bräuche ausstrahlten. Jüdische Besucher — mochten sie der Ausübung dieser heiligen Zeremonien längst entwöhnt sein — wagten kein Wort der Kritik oder gar der Verurteilung: so viel Abgeklärtheit, Hoheit und Milde spiegelte das ehrfurchtgebietende Wesen dieses Meisters in Israel wider! Bei einfacher Bewirtung — Frau Fromet („Frohmut“) geborene Gugenheim, eine Hamburgerin, zählte die jedem ihrer Gäste vorzusetzenden Mandeln und Rosinen genau ab — fanden sich bei Mendelssohns die nach geistiger Befreiung strebenden jüdischen Kreise ein.
Jahrelang verkehrte hier der Arzt Dr. M arkus Herz bis er sich mit der schönen, geistreichen Henriette de Lemos, einer Arzttochter, vermählte und dann sein eigenes Haus den Freunden der Wissenschaft öffnete. Als er über „Kant“ las — mit dem er als Student in Königsberg bei der Promotionsdisputation die Klinge gekreuzt hatte — lauschte ihm u. a. der Staatsminister von Zedlitz. Bei seinen physikalischen, durch Experimente veranschaulichten Vorträgen durfte er den Kronprinzen (den späteren König Friedrich Wilhelm III.) und andere Prinzen des Königlichen Hauses unter seinen Zuhörern begrüßen.
Wie Mendelssohn, war auch Dr. Herz armer Leute Kind, eines (Privat-) Schönschreiblehrers Sohn. In Veitei Ephraims Armenschule hatte er seine erste Bildung — auch Unterweisung im Talmud — empfangen. Daß er’s zum vielgesuchten Berliner Arzt, Philosophen und Dozenten ge-