Druckschrift 
Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
Entstehung
Seite
217
Einzelbild herunterladen

bracht hatte, wertete die Umwelt als einen weiteren Beweis für die Aufstiegsmöglichkeiten eines Juden, wenn man ihm Gelegenheit zur Entfaltung seiner Fähigkeiten gab.

Zum Gästekreise des Mendelssohnschen Hauses gehörte auch Lazarus Bendavid. Wie Markus Herz, ein ver­ständnisvoller Verehrer von Kant. Im Wohlwollen des Mendelssohnschen Hauses war der einstige Talmudjünger zum bedeutenden Mathematiker (Kästner rühmte ihn als sich ebenbürtig) und zum philosophischen Preisträger der Akademie herangereift. Heine sagte von ihm:Er war ein Weiser nach antikem Zuschnitt, umflossen vom Sonnen­licht griechischer Heiterkeit, ein Standbild der wahrsten Tugend, und pflichtgehärtet wie der Marmor des kategori­schen Imperativs seines Meisters Kant.

Der Begabteste unter den Getreuen des Hauses Mendels­sohn war der Philosoph Salomon Maimon, Pole von Geburt, schon als Neunjähriger im Talmud bewandert, aber flatterhaft, ohne Energie und Lebensziel, wegen seiner Unbeherrschtheit und Religionsverachtung mehrmals aus des Meisters Hause verwiesen und doch immer wieder liebreich aufgenommen. Jedesmal, wenn er Mendelssohn aufsuchte, zögerte er, näher zu treten: so prächtig war das Philo­sophenheim und so vornehm die Gesellschaft, die er dort durch die halboffenen Flügeltüren wahrnahm!

Ein ernster Gottsucher in Mendelssohns Kreise, zugleich ein philosophisch und literarisch durchgebildeter Kaufmann, war der aus Königsberg stammende David Fried­länder. Kein Gebiet jüdischen Geisteslebens, dem er nicht seine Teilnahme und seine Tatkraft widmete! Voll Leidenschaft setzte er sich lebenslang für ein vergeistigtes Judentum ein. Hatte sich z. B. Mendelssohn von seinen Gästen eine Stunde vor Sonnenuntergang verabschiedet, um den Sabbat zu empfangen, so erblickte Friedländer in der Ausübung der religiösen Bräuche die er für inhaltslos

217