Während diese Anstalt an Entkräftung hinsiechte, trat ein Talmud-Thora-Institut zur Ausbildung von Lehrern und Kantoren ins Leben. An diesem Ersatz-Seminar unterrichtete Salomon Pleßnert , welcher talmudische Gelehrsamkei mit moderner Bildung verband und als erster Kanzelredner in der Alten Synagoge in allerbestem Deutsch predigte. Die übrigen Dozenten hatten fast alle mit der religiösen Überlieferung gebrochen. Aber auch sonst genügte die Anstalt den Ansprüchen der Aufsichtsbehörde nicht. Infolge ihrer unzureichenden Organisation ging sie ein.
Vielleicht hätte die Entwicklung des Seminars einen anderen Verlauf genommen, wären noch der hohe Idealismus, die Weisheit und die Arbeitskraft David Friedländers wirksam gewesen. Dieser alte Kämpe aber war abgekämpft, altersschwach. Den neuen Männern fehlten vielfach Sachkenntnis und Begeisterung. Ihr Dienst am Judentum erschöpfte sich in dem — durchaus anerkennenswerten — Kampf gegen die religiöse Verflachung, wie die Sucht nach dem Glaubenswechsel sie kennzeichnete.
Als die Generation der Mendelssohnjünger sich zum Sterben hinlegte, hatte die Aufklärung bereits der Romantik das Feld geräumt.
Unbeschwert mit schwierigen philosophischen Problemen, hielt die neue Generation ein epikuräisches Genußleben für die von Mendelssohn als das Eigene des Weisen gekennzeichnete Glückseligkeit! An die Stelle der Selbstbesinnung in der Stille des Studierzimmers trat in Berlin ein Gemeinschaftsleben in Schöngeisterei, Schwärmerei und Lebensgenuß. Nach dem Vorbild der Französinnen, Madame de Sévigné, Madame Récamier, und der geistreichen Kurtisanen aus der Zopfzeit machten sich jüdische Damen zu Priesterinnen einer Schöngeisterei, die oberflächlich blieb, auch wenn sie sich ein philosophisches Mäntelchen um- hängte. Voll Schmerz stellte Friedländer fest: „Es haben
227