Druckschrift 
Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
Entstehung
Seite
232
Einzelbild herunterladen

treuen um so inniger an. Hauptsächlich aus Pietät gegenüber ihrem Volk und aus Verantwortlichkeitsgefühl gegenüber der Jahrtausende alten Kette frommer Ahnen.

Mendelssohns Werk durfte nicht untergehen. Die Ge­danken, die er ausgestreut, sollten Gestalt gewinnen. Das Mittel hierzu bot die Wiederbelebung des Hebräischen. Durch die Heilige Sprache wurden die Getreuen ihrer Ver­bundenheit mit dem jüdischen Volke inne, an dessen Er­wählung und Ewigkeit sie felsenfest glaubten. In ihren Kreisen strebte man nicht nach bürgerlicher Gleichberechti­gung. Abschaffung entwürdigender Ausnahmegesetze ge­nügte ihnen, nur durfte sie diese Freiheit nicht mit ihrem Gewissen in Konflikt bringen und sie nicht im Ausleben ihres jüdischen Selbst behindern. Diese Getreuen begannen bereits, sich mit den von Mendelssohn errungenen Kultur­gütern zu befreunden. Deutsche Sprache und deutsche Bil­dung fand auch in ihren Reihen Eingang. Über Friedländers Sendschreiben an Propst Teller gingen sie zur Tagesordnung hinweg. Ohne Mißstimmung gegen das Christentum, be­schränkten sie ihren Umgang auf den Kreis ihrer Glaubens­genossen und drängten sich nicht in eine Gesellschafts­sphäre, die sie als Juden ablehnte.

Kaum ein Vierteljahrhundert nach Mendelssohns Tode (1786), und schon hatte sich die innere Emanzipation voll­endet. Die äußere schien nur noch eine Frage der Zeit.

232