Mitbürgern gegenüber vom nationaljüdischen Standpunkt aus beeinflußte, so gewannen jetzt auch die in der Emanzipation gewonnenen Ideale Gestalt. Deutschtum und Judentum, gesunde Assimilation und Treue gegenüber dem Väterglauben, Brandmarkung gesinnungslosen Übertritts als etwas Schimpfliches, das waren die Ziele des damals begründeten „Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens". Eine großzügige Aufklärung über Wert und Wesen des Judentums sollte der Judengegnerschaft den Boden entziehen, jüdisches Selbstbewußtsein wecken, den einzelnen Juden in seinem Recht schützen. Forderte der Zionismus: „Mehr jüdische Würde! Denkt an die ewigen Aufgaben des jüdischen Volkes!“, so gab der Centralverein die Losung aus: „Laßt Euch die Freude an Eurer deutschen Heimat nicht verkümmern! Wehrt Euch!“
Den Anstoß zur Gründung des Centralvereins gab eine Anfang Januar 1893 anonym erschienene Flugschrift: „Schutzjuden oder Staatsbürger?“ Der Verfasser wies darauf hin, daß kurz zuvor der Vorstand der Berliner Gemeinde beschlossen hatte, den Kaiser Wilhelm II. in einer Audienz um Schutz gegen die immer schärfer werdenden Angriffe der Judenfeinde zu ersuchen. „Schutz“, behauptete der Verfasser, brauchen wir nicht. Wir wollen unser Recht. Die Schrift fand allgemeine Zustimmung. Bei der dritten Auflage zeichnete als Verfasser: Dr. Raphael Löwenfeld, Direktor des Schiller-Theaters in Berlin. Begeistert schlossen sich Tausende dem „C.-V.“ an. In Broschüren, Flugblättern und Versammlungen riefen die Redner zu Selbstzucht, bescheidenem Auftreten und taktvoller Zurückhaltung auf. Millionen wurden für Propaganda dieser Art aufgewendet.
In Berlin hatten die Konservativen auf dem Parteitage (1892) den für ihr neues Programm, das „Tivoli-Programm", beantragten Passus: „Wir verwerfen die Auswüchse des