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Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
Entstehung
Seite
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etwa die Hälfte der deutschen Juden tätig. Der Prozentsatz der berufstätigen Jüdinnen hat sich im Zeitraum von 1882 bis 1907 verdoppelt. Alles dies hauptsächlich in Berlin.

In der Reichshauptstadt wirkte sich die judengegnerische Bewegung kaum spürbar aus. Wollte die Umwelt mit Juden nicht verkehren, so öffneten sich ihnen jüdische Kreise zu Geselligkeit und Gedankenaustausch. Stoff gabs genug. Über ein Jahrzehnt hielt die Dreyfusaffäre die Juden in Spannung; in Böhmen, aber auch in Könitz (damals West­preußen) wurden Morde zu Ritualmorden gestempelt; 1903 forderten die Pogrome von Kischinew, Homel, Siedlce usw. zahlreiche Opfer, deren Hinterbliebenen sich der von Dr . Paul Nathan neugegründeteHilfsverein der Deutschen Juden in Berlin liebevoll annahm.

Die gekennzeichneten Äußerungen judenfeindlicher Massenpsychose mußten die Juden, zumal die führenden Berliner, zur Besinnung mahnen. Das geschah nicht. Nur die Zionisten sahen, voll steter Besorgnis, in den Aus­brüchen des Judenhasses selbst in Ländern höchster Geistes­kultur ein gefahrdrohendes Menetekel Flammenzeichen. Unablässig arbeiteten sie. Der erste Basler Kongreß (1897) öffnete der Gesamtheit die Augen über den Ernst ihrer Lage und brachte das Hohnlachen über die geplante Ver­wirklichung eines zweitausendjährigen Ideals zum Ver­stummen. Namentlich die Jugend begeisterte sich für den zionistischen Gedanken. Aber auch in den Kreisen der Ber­liner jüdischen Intelligenz zündete er.

Daß die Umwelt die Berechtigung des jüdischen An­spruchs auf ein völliges Einssein mit dem deutschen Volke in Zweifel zu ziehen begann, sollte den Juden zu denken geben Flammenzeichen.