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Der Raw : kulturhistorische Erzählung / von Judäus
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burtsortes hinaus. Er hatte noch kaum das dreizehnte Jahr überschritten, als reiche, gottes- fürchtige Männer ihr Augenmerk auf diesen leuchtenden, am Himmel der russischen Judenheit aufsteigenden Stern richteten, um ihn an sich zu fesseln. Er wurde dadurch sehr früh verheiratet, wie es zur damaligen Zeit in Rußland Sitte war und vermählte sich mit der Tochter eines sehr begüterten Mannes in Witebsk. Nach seiner Heirat siedelte er, ebenfalls der Sitte der damaligen Zeit entsprechend, in das Haus seiner Schwiegereltern über und lebte dort zurückge­zogen von der Welt mit einer beispiellosen Hin­gebung ausschließlich dem Studium der Thora. In seinem achtzehnten Jahre hatte er den ganzen Talmud mit allen seinen älteren und jüngeren Erklärern zum ersten Male völlig zu Ende stu­diert. Auch in die Lehre der Kabbala vertiefte er sich um jene Zeit und legte dort den Grund zur Meisterschaft in dieser Wissenschaft, die ihn später befähigte, sie in ganz neue Bahnen zu lenken.

Eine ganz außergewöhnliche Aufmerksamkeit wandte er dem täglichen Gebete zu. Er lebte der Ueberzeugung, daß wenn auch das dreimalige tägliche Gebet in der uns vorliegenden Fassung rabbintsche Anordnung ist, nichtsdestoweniger das Gebet an und für sich und die durch es erwirkte Erhebung aus den Niederungen des Lebens zu Gott, die Grundlage bildet, auf welcher die ganze Thora ruht. Wenn die beispiellose Innigkeit, mit der er betend vor Gott hintrat, ihm die