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Der Raw : kulturhistorische Erzählung / von Judäus
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Stellung nahmen, sei es in zustimmendem, sei es in abweisendem Sinne. Der Gesetzeskundige, an welchen die Entscheidung einer reltgionsgesetz- lichen Frage herantrat, mußte die weitschichtige Literatur kennen und sie bei seiner Entscheidung berücksichtigen. War das selbst für den kundigen Meister des Gesetzes eine schwierige Aufgabe, so war es dem schlichten jüdischen Manne aus dem Volke für die tägliche Erfüllung des jüdischen Lebensgesetzes geradezu eine Unmöglichkeit, trotz der in allen Bolkskreisen verbreiteten Kenntnis der Thora. Es sollte daher ein Werk geschaffen werden, das in einfacher, leichter Fassung alle Pflichten des jüdischen Lebens zur Darstellung bringt. Aber diese Darstellung sollte das Für und Wider aller Autoritäten, die sich darüber geäußert, abwägen und als Resultat den präzisen, gültigen Wortlaut des Gesetzes zum Ausdruck bringen. Es handelte sich also um ein Werk, das mit populärer äußerer Form die gediegenste Gründlichkeit und Vielseitigkeit verbinden, das dem gesetzestreuen Meister und dem Mann aus dem Volk in gleicher Weise als Führer dienen sollte. Das erforderte einen Autor mit einer Belesenheit in der ungeheuren talmudischen Li­teratur, deren Erzeugnisse fast zwei Jahrtausende umfassen, ferner einen scharfsinnigen Forscher, der die widerstreitenden Auffassungen der tiefsten Denker aller Zeiten abzuwägen weiß, der außer­dem die Sprache derart beherrscht, daß er diese subtilen Forschungsergebnisse in einer jedem zu­gänglichen Art und Weise darzustellen weiß