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mal eine Erfahrung aus meinem eigenen Leben Mitteilen, damit Du siehst, was vertrauensvolle Hingebung an die Worte der Weisen heißt."
Der Enkel wagte nicht, dem Großvater ins Auge zu schauen, doch dieser fuhr in seiner milden, zu Herzen gehenden Weise fort:
„Als ich noch ein ganz junger Mann war, betraute mich mein großer, unvergeßlicher Lehrer, das Andenken des Gerechten sei gesegnet, mit einem Auftrag, der in großer Entfernung von Meseritz zu erledigen war. Es war mitten iin strengsten Winter, es war so kalt, daß meine Füße zu erfrieren drohten, und ich mußte in einem Dorfe übernachten, das noch ziemlich fern vom Ziele meiner Reise war. Ich konnte mit meinen erfrorenen Füßen schon nicht mehr vom Wagen steigen. Der Kutscher hob mich vom Wagen und brachte mich in das Wirtshaus, das ein alter jüdischer Mann inne hatte. Dieser rieb meine Füße mit Schnee und Branntwein ein, so daß ich mich bald erholte. Als ich mich mit meinem Wirt, der den Eindruck eines schlichten, frommen Mannes machte, in eine Unterhaltung einließ, erfuhr ich, daß er der einzige Jude war, der am Orte wohnte. Auf meine Bemerkung, daß ich ein Schüler des berühmten Maggid von Meseritz sei und in seinem Aufträge reise, behandelte er mich mit noch größerer Auszeichnung als bisher. Auf mein Befragen teilte er mir mit, daß die nächste etwa hundert Familien zählende jüdische Gemeinde etwa zwanzig Werst von hier entfernt sei und daß er alljährlich die