Druckschrift 
Der Raw : kulturhistorische Erzählung / von Judäus
Seite
244
Einzelbild herunterladen

244

Stellung eines Neemon nicht in den Händen eines Chosid belassen. Aber die Gehässigkeit, die Mesiros (falsche Denunziationen), mit welchen man mich verfolgte, hätten mich das Leben ge­kostet, wenn ich mich nicht durch geheime Flucht gerettet hätte. Ich suchte zuerst den Raw auf, und bat ihn um seinen Rat und seinen Segen. Er gab mir einen warmen Empfehlungsbrief an den Frankfurter Rabbiner und mit seinem Segen die trostreiche Versicherung, daß mir eine große Zukunft beschicken sei. Die Flucht ins Ausland, zu der mich die Gehässigkeit unserer Gegner nötige, werde das Mittel sein, um unserer guten Sache besser und nachhaltiger zu dienen, als es in Rußland möglich sei. Er sei sicher, daß ich auf wunderbare Weise gerettet werde, ich hätte es durch das große Opfer verdient, welches ich meiner Ueberzeugung gebracht habe. Aber ich solle mich dieser Wunder würdig zeigen und sie benützen, um sowohl dem Judentum als auch unserem Kaiser einen Dienst zu erweisen, besten Tragweite sich gar nicht ermessen lasse."

Hier hielt Meisels erregt einen Augenblick inne, als scheue er sich weiter zu sprechen. Er stand auf, schloß die Türe ab und fuhr dann mit gedämpfter Stimme fort:

Ich kann jener Stunde nicht gedenken, ohne noch heute den Fernblick des Raw anzustaunen. Unser Kaiser, Gott erhalte ihn, war damals gerade an die Regierung gelangt und hatte den Raw vollständig freigesprochen von den Anschul­digungen, mit welchen ihn seine Gegner zu ver-