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Der Raw : kulturhistorische Erzählung / von Judäus
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sah mit heiterem Lächeln noch einige Minuten dem Scheiden der Seele in ihr besseres Heim entgegen. Keine Spur eines Todeskampfes es war, als ob der Herr über Leben und Tod die reine Seele hinweggeküßt hätte. Der Seelen­frieden, mit dem er aus der Zeitlichkeit in die Ewigkeit übergegangen war, ruhte noch als hei­teres, abgeklärtes Lächeln auf den Gesichtszügen der entseelten irdischen Hülle. Es war am 24. Tewes des Jahres 5573 (27. Dezember 1812).

Fern von der Hermat begruben ihn seine Angehörigen in Hadiacz am Flusse Psol, einer Stadt von etwa 10,000 Einwohnern, in der Nähe von Poltawa, achtzig Werst von Paianie entfernt. Der nichtjüdische Besitzer des Hauses zu Paianie, in welchem der Raw der Krankheit verfiel und den Geist aushauchte, hatte sofort erkannt, daß sein Gast ein ungewöhnlich hervor­ragender Mann war und behandelte ihn und alle Familienangehörigen mit großer Zuvor­kommenheit und Ehrerbietung. Er räumte dem Raw ein besonderes Zimmer ein und behandelte auch noch nach dem Tode des Raw dieses mit verehrungsvoller Auszeichnung. Er schloß es ab und ließ es von niemanden betreten, außer von jüdischen Fremden, die zu dem Zweck zugereist kamen, um die Stätte, an welcher der Raw die letzten Tage seines Lebens verbracht hatte, auf­zusuchen. Auch die Nachkommen des Hausbe­sitzers behandeln auf Grund väterlicher letzt­williger Bestimmung noch bis zum heutigen Tage diesen Raum wie eine geheiligte Stätte.