Teil eines Werkes 
Teil 1 (1920) Die Grundlagen der jüdischen Ethik
Entstehung
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Sittlichkeit

als Grundforderung des Judentums

Im Judentum ist die sittliche Forderung ein Grundsätzliches, ein Tragendes der Religion. Die Ethik ist hier zur Religion nicht hinzu­gefügt, sondern ein Wesentliches in ihr. Ohne sie gibt es hier keinen Glauben an die Bedeutung des Lebens noch an das, was über das Leben hinaus geht. Das Neue, das der Glaube Israels der Welt ge­bracht hat, wurzelt in diesem bestimmtem ethischen Charakter, der ihm eigen ist.

Der Monotheismus Israels ist der ethische Monotheismus. Die Einheit Gottes ist erkannt worden, weil die göttliche Heiligkeit erkannt worden ist. Der eine Gott, den die Propheten verkündet haben, ist der eine, nicht etwa weil er allein das ist, was die Götter der Heiden zusammen sind, sondern er ist der eine, weil er anders als sie ist, weil das eine Gute in ihm seine Wirklichkeit und Gewißheit hat. Neben dem einen sittlichen Gott können keine andern Götter sein, weil die eine Sittlichkeit nichts andres neben sich duldet. Der einig-einzige Gott und der heilige Gott, das bedeutet hier das gleiche. Der eine Gott verkündet dem Menschen, was das eine Gute ist: Gerechtigkeit und Liebe zu üben. Darin liegt der Unterschied zwischen ihm und den vielen Göttern.

Der Glaube an den einen Gott ist so aus der Unteilbarkeit der Gewissensforderung hervorgewachsen. Der Satz:Höre, Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige ist einzig und der andre Satz:Du sollst lieben den Ewigen, deinen Gott, mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft gehören un­lösbar zusammen. Mit all dem, was in uns ist und was uns gegeben, können wir nur dem einen Gotte dienen, und nur der eine Gott kann es gebieten, daß das ganze Herz, die ganze Seele und die ganze Kraft des Menschen sich ihm hingeben. In der sittlichen Einheit seiner Seele wurde dem israelitischen Menschen die Einheit Gottes bewußt.

Gott erkennen bedeutet hier nicht, sein Wesen verstehen, sondern sein Walten begreifen, dten Weg des Rechten sehen und gehn, den Gott gewiesen hat, den einen Weg, der für alle die verschiedenen,

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