Teil eines Werkes 
Teil 1 (1920) Die Grundlagen der jüdischen Ethik
Entstehung
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dessen müssen wir uns vor Augen halten, daß nicht der Glaube an sich unter allen Umständen die wahre Glückseligkeit herbei­führt. Wenn der Mensch an Unmögliches glaubt, so führt dies nicht auf den Weg des Sittlichen. Daran kann kein Mensch zweifeln. Nur der Glaube, der die sittliche Bedeutung des Menschen hebt, ist der wahre Glaube, d. h. nur der Glaube an sittliche Wahr­heiten. Deshalb soll der Mensch nicht schlechtweg alles glauben, sondern genau prüfen und untersuchen, was der Inhalt dieses Glaubens ist, und woher das, was er glaubt, stammt, und was nicht glaubwürdig ist, soll er aufgeben. Joseph Albo: Ikkarim (Grund­lehren) I, 21.

Neueres jüdisches Schrifttum

1: Ob nun gleich dieses göttliche Buch, das wir durch Moses emp­fangen haben, eigentlich ein Gesetzbuch sein und Verordnungen, Lebensregeln und Vorschriften enthalten soll, so schließt es gleich­wohl, wie bekannt, einen unergründlichen Schatz von Vernunft­wahrheiten und Religionslehren mit ein, die mit den Gesetzen so innigst verbunden sind, daß sie nur eins ausmachen. . . . Allein alle diese vortrefflichen Lehrsätze werden dem Erkenntnisse dar­gestellt, der Betrachtung vorgelegt, ohne dem Glauben auf­gedrungen zu werden. Unter allen Vorschriften und Verordnungen des mosaischen Gesetzes lautet kein einziges: Du sollst glauben, oder nicht glauben, sondern alle heißen: Du sollst tun, oder nicht tun! Dem Glauben wird nicht befohlen; denn der nimmt keine andern Befehle an, als die den Weg der Überzeugung zu ihm kommen. Älle Befehle des göttlichen Gesetzes sind an den Willen, an die Tatkraft der Menschen gerichtet. Moses Mendelssohn: Jerusalem, 1783, S. 174/175.

2: Die große Maxime dieser Verfassung scheint gewesen zu sein: Die Menschen müssen zu Handlungen getrieben und zum Nach­denken nur veranlaßt werden. Daher jede dieser vorgeschriebenen Handlungen, jeder Gebrauch, jede Zeremonie ihre Bedeutung, ihren gediegenen Sinn hatte, mit der spekulativen Erkenntnis der Religion und der Sittenlehre in genauer Verbindung stand und dem Wahrheitsforscher eine Veranlassung war, über jene ge­heiligten Dinge selbst nachzudenken oder von weisen Männern Unterricht einzuholen. Moses Mendelssohn: Jerusalem, 1783, S. 191.