3: Es gibt also ein äußeres Maß für die Menschentat, — es ist Übereinstimmung mit Gottes Willen; und es gibt ein inneres für des Menschen Größe, — es ist nicht der Umfang der verliehenen Mittel, es ist nicht der Umfang des Gewirkten, sondern es ist die Erfüllung göttlichen Willens nach Verhältnis des Verliehenen. — Also, mit bester Gesinnung ein verfehltes Leben, wenn die Tat nicht die rechte ist; also mit kleinstem Wirken ein großes Leben, wenn die Mittel zu mehr nicht ausreichten. Also auch Glückseligkeit und Vollkommenheit nur größte Fülle von äußeren und inneren Gütern, deren volle Verwendung nach Gottes Willen erst des Menschen Größe macht. — S. R. Hirsch: 19 Briefe, 1836, IV, S. 19/20.
4: Aber ein von der Welt zurückgezogenes, bloß beschauendes und betendes Leben ist nicht Judentum; Thauroh und Äwaudoh sind nur Weg zum Wirken! Talmud gadol sche-mebi lijde maasse ist Ausspruch unserer Weisen; und Blüte und Frucht aller unserer T’fillauß sind B’rochauß, Entschlüsse zu einem gottdurchdrungenen tätigen Leben; dies allein also überall Ziel. — S. R. Hirsch: 19 Briefe, 1836, IV, S. 73.
5: In dem ganzen Bereiche des göttlichen Gesetzes ist uns nicht eine einzige Wahrheit offenbart, die nur theoretisches Interesse hätte, keine einzige, die nur unser Wissen bereicherte, ohne auf unser sittliches Verhalten Einfluß zu üben geeignet zu sein. — S. R. Hirsch: Ges. Sehr., III, 1906, S. 372.
6: Im Judentum nehmen die Gebote, die Forderungen religiösen, sittlichen Handelns, einen so bedeutungsvollen Platz ein, daß die Glaubenssätze notwendig zurückstehn. Vor das Wissen von Gott treten die Pflichten gegen Gott. „Die Grundprinzipien der Thora“, wie sie z. B. der Talmud aufstellt, betreffen fast nur das fromme Handeln. Nur dieses ist religiös festgestellt und hat gewissermaßen seine fertigen Antworten. — Leo Baeck: Das Wesen des Judentums, 1905, S. 3.
7: Weise ist, wer in den Wegen Gottes wandelt, wer das Gute tut; so wiederholt es im Judentum die Überzeugung aller Jahrhunderte. Religion und Leben werden damit aufs innigste verbunden, die Religion, welche bewiesen werden soll durch das Leben, das Leben, welches geweiht werden soll durch die Religion. Diese wird zur Erde herabgeführt, jenes zu göttlichem Inhalt erhöht. Dem Zwiespalt zwischen Glauben und Tun ist damit der Boden
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