Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
Seite
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Wilhelm Meister.

nicht recht zusammenstimmen. Jener ist offenbar als Deutscher gedacht(blaue Augen), dieser ist ein Italiener. Wenn auch in der Geschichte des Markese keine Altersangaben gemacht werden, so muss man doch annehmen, dass Augustins Liebesgeschichte in seiner Jugend spiele. Mignon wird, als sie zu Wilhelm Meister kommt, auf 1213 Jahre geschätzt. Also auch dann, wenn man dem Liebhaber Augustin ein Alter von 30 Jahren geben wollte, würde der Harfner bei seinem Auftreten doch erst 43 oder 44 Jahre alt sein. Von seinem älteren Bruder, dem Marchese Cipriani wird ausdrücklich gesagt, er seiein Mann noch nicht hoch in Jahren. Goethe muss das Missverhältniss bemerkt haben, da er die wunderliche Bemerkung hinzugefügt hat, man habe bei der Rückkehr des Augustin von dem Geistlichen die Züge des Alters nicht mehr be­merkt. Als ob der Geistliche eine Jungfern- Mühle gehabt hätte! Auch die Unterdrückung aller Alters­angaben im Berichte des Markese ist auffallend. Ich weiss nicht, ob man auf diese Dinge schon ge­achtet hat. ı

In psychiatrischer Hinsicht ist die Gestalt des Harfners nicht gelungen. Goethe hat bei ihr offenbar kein Vorbild gehabt. Das Ganze ist eine Bildung der Phantasie, die die im Publikum geläufigen Vorstellungen vom Wahnsinne verwerthet. Jedoch zeigt sich Goethes Scharfsinn darin, dass er den Harfner als einen von vornherein krankhaften Menschen schildert, als einen Entarteten und das Glied einer entarteten Familie. Ich erinnere an Goethes Betonung der Vererbung in der